
Prolog – Zwischen Dock und Stern
Manchmal frage ich mich, ob ich mich jemals irgendwo angekommen fühle.
Nicht, weil mir etwas fehlt. Eher, weil ich nie gelernt habe, zu bleiben.
Orte waren immer Übergänge. Menschen auch.
Ich erinnere mich nicht an meine erste Station – nicht an die Namen, nicht an die Gerüche.
Nur an das Flackern eines defekten Deckenlichts und eine Stimme, die sagte:
„Bleib einfach sitzen. Sie kommen gleich.“
Wer auch immer „sie“ waren, sie kamen nie.
Und das war das erste Mal, dass ich lernte:
Du bist auf dich allein gestellt.
Heute erkenne ich jedes Schiff im Hangar an seinem Triebwerkssummen.
Ich weiß, welche Station ihre Datenpuffer nicht regelmäßig leert
und welcher Hafen bei 4 % Schildstärke noch gnädig ist.
Ich bin verdammt gut in dem, was ich tue.
Aber ich rede nicht darüber.
Ich mag keine Fragen.
Vor allem nicht die, auf die ich keine Antwort habe.
Was ich mag:
Kaffee – stark, schwarz, ohne Diskussion.
Funkstille nach einem Kampf.
Glatte, kalte Metallböden unter nackten Füßen.
Dinge, die funktionieren, ohne viel Aufhebens.
Ein sauber geordneter Frachtraum.
Die Geräusche, wenn sich ein Stationsdock langsam schließt –
wie ein Versprechen.
Frauen mit einer klaren Stimme.
Was ich nicht mag:
Smalltalk.
Versprechungen, die wie Verträge klingen.
Wenn jemand glaubt, meine Zeit gehöre ihm.
Blickkontakt, der zu lange dauert.
Männer, die sich für unausweichlich halten.
Schlafplätze mit Vorhängen.
Hinterhältige Fragen in freundlichem Ton.
Ich hasse es, wenn jemand meine Sachen anfasst.
Und ich kann es nicht ausstehen, wenn jemand denkt,
er weiß, wer ich bin.
Ich schlafe schlecht, esse unregelmäßig,
vergesse Namen – aber nie Frequenzen.
Manchmal finde ich in Jackentaschen Bonbons,
die nicht mir gehören.
Oder kleine Notizen in fremder Handschrift.
Manche Erinnerungen kleben an Dingen, nicht an Bildern.
Ein roter Haargummi.
Ein Stempel auf der Hand, der nie ganz abging.
Ein leiser Satz: „Wenn du lieb bist, darfst du bleiben.“
Ich war selten lieb.
Aber ich bin geblieben.
Ich trage keine Fotos bei mir.
Keine Souvenirs.
Nur ein silbernes Fragment an einer Kette –
kein Ursprung, kein Zweck.
Vielleicht will ich’s auch nicht wissen.
Einmal hat jemand gesagt, ich wirke kalt.
Vielleicht stimmt das.
Vielleicht ist das einfach nur effizient.
Denn wer sich keine Schutzschilde zulegt,
wird im Vakuum zerrissen.
Und das hier draußen ist nichts anderes
als eine große, schwarze Prüfung.
Jeden Tag.
Und trotzdem …
… manchmal, wenn der Bordcomputer runterfährt
und es wirklich still wird, frage ich mich:
Wie wäre es, nicht zu fliehen?
Sondern einfach … zu bleiben?
Wir kennen Geraldine nicht. Noch nicht.
Aber wir können ihr folgen.
Und vielleicht lernen wir sie irgendwann wirklich kennen.