Kapitel 5 – Zu klein für das, was ich vorhab

Einmal Mining-Setup, ohne Menü.

Der Type-6 stand im Verkaufsdock, als wäre er nie weg gewesen.
Derselbe Lack. Dieselbe kleine Beule am Bug.
Geraldine hätte schwören können, dass sogar der Sitz noch nach ihr roch.

Sie klickte auf Kaufen.
Ohne Zögern.
Wenige Sekunden später war der T6 wieder offiziell ihrer.

Willkommen zurück, alter Freund, dachte sie – und es klang in ihrem Kopf wärmer, als sie erwartet hatte.

Aber diesmal war es kein Frachter.
Keine Lieferkiste. Kein Scanner-Taxi.

Diesmal wurde er: ein Miner.

Sie öffnete die Ausrüstungsübersicht – und fluchte leise.
Sie hatte gewusst, dass nicht alles gleich verfügbar sein würde.
Aber das hier war lächerlich.

Abrasionsblaster? Nur in einem System, das 120 Lichtjahre entfernt lag.
Prospektorkontrollen? Zwei Sprünge weiter – aber mit Zwischenladung.
Sammeldrohnen? In der verdammten Piratenstation von HIP Irgendwas.

Sie bastelte sich eine Route zusammen.
Zickzack durch die halbe Bubble.

Und flog los.

In einer schattigen Ausrüstungsbucht auf Ray Gateway legte Geraldine das Tablet auf den Tresen.
„Ich hoffe, ihr habt hier wenigstens irgendwas, was mir noch fehlt“, knurrte sie.

Der Techniker sah auf.
„Was genau suchst du?“

„Prospektor-Kontrollen. Sammeldrohnen. Abrasionsblaster, wenn’s nicht zu viel verlangt ist.“
Sie seufzte.
„Ich hab mir den halben Weg nach Colonia zusammengeklickt, nur um ein verdammtes Mining-Setup zu bauen.“

Er kam näher, musterte ihr aktuelles Build.
„Du hast das alles einzeln zusammengesucht?“
Er lächelte schmal.
„Ziemlich altmodisch. Aber beeindruckend.“

Dann beugte er sich etwas vor, als wolle er ihr einen Geheimtipp zuflüstern.
„Weißt du, du könntest dir das alles sparen. Flieg nach Jameson Memorial. Da gibt’s alles. In jeder Ausführung.“

Geraldine runzelte die Stirn.
„Noch nie gehört.“

Er nickte.
„Wundert mich nicht. Kommt man auch nicht einfach so rein. Zugang gibt’s nur für Elite-Piloten. Mindestens ein Rang – dann schalten sie Shinrarta Dezhra für dich frei.
Ab da brauchst du keine Umwege mehr. Nur Ziel – und kaufen.“

Er wandte sich ab, als hätte er ihr gerade verraten, wo es den besten Whisky gibt.

Geraldine sah ihm nach.
Dann sagte sie leise:

„Na klar. Der Himmel. Mit Gästeliste.“

Sie speicherte die Info.
Nicht für morgen. Nicht mal für nächste Woche.
Aber irgendwann.

Denn irgendetwas in ihr wusste:
Wenn sie so weit war, würde sie anklopfen.

Laser rein, Gas raus, abhauen.

Der erste Asteroid war ein Reinfall.
Kein Druck. Keine Signatur. Nur Staub.

Geraldine starrte auf das Prospektor-Display und runzelte die Stirn.
„Gut. Übung. Warmfliegen.“

Der zweite war besser.
Mehr als das.

Der Scanner piepte, die Anzeige blinkte, und da stand es:

Inhalt: Tieftemperatur-Diamanten (hoch)

Sie atmete durch.
Fuhr den Mininglaser aus.
Und begann.

Die ersten Brocken flogen sauber.
Ihre Drohnen summten los, sammelten, lieferten ab.
Die Raffinerie arbeitete träge, aber zuverlässig.

Alles blieb ruhig.
Kein Alarm. Kein Kontakt. Keine Fremdsignale.

Als sie ihre Fracht voll hatte, stieg sie aus dem Feld.
Vorsichtig. Geplant.
Die Route lag bereit, die Station war vorbereitet.
Der Verkauf?
Surreal.

Marktwert: +6.104.250 Credits
Transaktion abgeschlossen.

Geraldine starrte auf die Zahl.
Dann lachte sie leise.
„Einmal Schürfen, bitte. Mit Alles.“

Sie machte es nochmal.
Anderes System. Neues Feld.
Wieder Diamanten. Wieder sauber.

Beim dritten Mal zitterte sie leicht, als ein fremdes Signal im Scanner auftauchte –
aber es zog vorbei.
Geraldine blieb unter dem Radar.
Schnell. Gezielt. Kalt.

Der T6 machte mit.
Tapfer.

Aber sie spürte es:
Die Module waren gequetscht, die Raffinerie ächzte.
Der Laderaum? Ein schlechter Witz mit Ladeklappe.

Beim vierten Lauf war sie euphorisch.
Fast übermütig.

Der Scanner sang, die Musik lief, die Drohnen arbeiteten im Takt.
Geraldine flog schneller, als sie sollte.
Ein Rausch.

Dann schätzte sie die Rotation des Asteroiden falsch.
Ein Ziehen nach rechts, ein Reflex –
und sie krachte mit voller Flanke gegen die Gesteinswand.

Schilde ausgefallen. Hüllenschaden: 52%

Das Schiff stöhnte metallisch.

Geraldine fluchte.
Laut.

Dann hielt sie plötzlich inne.
Eine Vibration im Sitz, ein verzerrtes Lichtmuster auf dem Armaturenbrett –
und plötzlich war sie woanders.

Ein Raum in Grau. Rechteckig. Perfekt beleuchtet.
Ein piepsender Sensor. Rote Anzeige: Verhalten nicht normkonform.
Ein Kind – ruhig, angespannt, mit beiden Händen auf den Oberschenkeln.
Stillhalten.
Warten.
Der Ton der automatisierten Stimme ist ruhig, künstlich:
„Selbstverantwortung beginnt mit Disziplin. Bitte verhalten Sie sich erwartungskonform.“

Kein Schimpfen. Kein Mitgefühl.
Nur Licht. Und Protokoll.
Geraldine – etwa sechs Jahre alt – schließt die Augen.
Und zählt. Bis sechzig.
Dann nochmal.

Zurück im Cockpit.
Sie hatte die Augen geschlossen. Nur für eine Sekunde.
Sie atmete tief durch.
„Okay. Diamanten sind kein Spielzeug.“

Sie humpelte zur nächsten Station, ließ sich rückwärts einleiten, schaltete alles ab und starrte auf den Reparaturbildschirm.

Gesamtkosten: 412.000 Credits

Nicht ruinös.
Aber schmerzhaft.
Nicht nur für das Schiff.

Später, zurück im Hangar, saß sie noch eine Minute im Cockpit.
Still.
Der Blick auf die Seitenkonsole, wo die Frachtraumverteilung blinkte.

Speicher fast voll – keine Drohnenslots mehr verfügbar.

Geraldine schloss die Augen.
Und murmelte:

„Verdammt. Ich wachse schon wieder raus.“

Du hast mich reingebracht. Und ich bring dich zurück

Der Hangar war nur spärlich beleuchtet.
Die Seitenwände flimmerten im Takt der Landeleuchten.
Und da stand er –
ihr T6.
Zum zweiten Mal.

Geraldine trat langsam heran.
Sie hatte sich selbst nicht dabei erwischt, wie oft sie das Schiff in den letzten Tagen berührt hatte.
Mal mit der Hand über die Konsole.
Mal mit dem Fuß an die Bugkante gelehnt.
Fast wie jemand, der sich verabschiedet, ohne es zu merken.

Der T6 hatte geliefert.
Drei Miningruns, gute Gewinne, ein Volltreffer – und ein halber Totalschaden.
Aber er hatte auch seine Grenze gezeigt.
Der Frachtraum war ein Puzzle.
Die Drohnen kämpften sich durch zu enge Schächte.
Die Raffinerie stotterte, wenn zu viele Brocken kamen.

Geraldine wusste, dass es Zeit war.

Der Verkaufsbildschirm flackerte auf, als sie sich einloggte.

Typ-6 Transporter – Seriennummer AXS-2176-M
Verkaufspreis: fair. Persönlich: unbezahlbar.

Sie starrte darauf.
Lange.
Zu lange für jemanden, der sonst klickt, bevor sie denkt.

Langsam fuhr sie mit dem Finger über die Seriennummer.
Ihre Lippen bewegten sich kaum, als sie flüsterte:

„Du hast mich reingebracht.
Ich hatte keine Ahnung, was ich tu. Und du hast’s ausgehalten.“

Sie schluckte.
Verfluchte sich leise.

Dann kam es.
Dieses brennende Ziehen in der Nase.
Keine Träne. Noch nicht.
Aber gefährlich nah.

„Und jetzt bring ich dich zurück.
Weil’s nicht mehr passt.
Nicht, weil du’s nicht mehr kannst.“

Sie klickte Bestätigen.
Und in dem Moment – ganz kurz –
bereute sie es.

Nicht rational.
Nur…
wie jemand, der beim Ausmisten plötzlich merkt, dass da was lag, das man eigentlich behalten wollte.

Der T7 wartete schon.
Größer. Klotziger. Funktional.

Sie stieg ein.
Langsam. Ohne Begeisterung.

Das Cockpit roch nach Werkstatt und Desinfektionsmittel.
„So riecht Zweck“, murmelte sie.
„Nicht Heimat.“

Als sie abdockte, sah sie nicht zurück.
Aber sie drückte das Funkfeld mit der flachen Hand.
Ein letzter, stiller Gruß.

Dann flog sie.
Mit mehr Platz.
Und weniger Herz.

Jetzt saß sie im neuen Schiff.
Und das durfte sie auch.

Denn das war nicht irgendein Transporter.
Das war ihr Einstieg.
Und ihr erstes echtes Opfer.

Reichweite, Ränge und ein Ishmaak

Der T7 fühlte sich an wie eine fliegende Lagerhalle.
Ein träger Riese mit trägem Atem.
Beim Abdocken klang er, als hätte man einen Containerzug vom Hochregal geschubst.

Geraldine hasste das Schiff.
Aber sie brauchte es.

Der Frachtraum war riesig.
Drohnenplätze ohne Ende.
Die Raffinerie? Lief. Ohne Murren.

Effizienz in Reinform.
Ein Mining-Werkzeug.
Und gleichzeitig: eine fahrende Resignation.

Sie flog mechanisch.
Scan. Laser. Sammeln. Verkaufen.
Weniger Nervenkitzel, mehr Routine.

Aber die Zahlen stiegen.

Handelsrang aktualisiert: Händler – Unternehmer
Erkundungsrang aktualisiert: Entdecker – Wegbereiter

Geraldine las die Meldungen ohne Regung.
Dann murmelte sie:

„Gut.
Jetzt bin ich offiziell jemand, der weiß, wo man hinschießt – und wo man verkauft.“

Der T7 kam kaum weiter als nötig.
Jede Route musste getaktet, jeder Sprung geplant werden.
Spontanität? Keine Chance.

Geraldine wusste, was das bedeutete.
Sie flog zurück zu Farseer.

Modifikationsgrad 3 freigeschaltet.

Felicity sagte wenig.
Ein prüfender Blick, ein knappes Nicken.

Geraldine mochte das.
Keine Worte, kein Theater.
Nur Funktion.

Die Dolphin stand noch im Hangar.
Sie streifte sie nur mit einem Blick – wie ein Versprechen:

Später. Wenn’s wieder passt.

Beim Check der Systemvernetzung blinkte eine neue Meldung auf:

Zugängliche Ingenieure aktualisiert
Neuer Kontakt: Juri Ishmaak

Spezialisierung:
– Minenwerfer (G5)
– Sensoren (G5)
– Detaillierter Oberflächenscanner (G5)

Kein Kommentar. Kein Zusatz. Nur Name, Ort, Ruf.

Geraldine speicherte den Eintrag.
Ob sie ihn brauchte, wusste sie nicht.
Aber wenn – dann würde sie bereit sein.

Später, im Orbit, scrollte sie durch ihre Meldungen.
Sie hatte Geld.
Ränge.
Zugang.

Aber keinen Plan, wo das alles endete.

Noch nicht.

Ich kann kaufen, was ich will. Aber will ich das auch?

Der Kontostand sprang ihr entgegen, kaum dass sie sich eingeloggt hatte.

318.678.442 Credits

Geraldine starrte.
Lange.
Ohne ein Wort.

Das war kein „gut gelaufen“.
Das war:
Ich könnte alles kaufen, was auf der Liste steht.

Sie schloss die Augen.
Lehnte sich zurück.
Lächelte – nicht triumphierend, sondern vorsichtig.
Fast fragend.

„Okay“, murmelte sie.
„Und was jetzt?“

Die letzten Wochen waren ein Rausch gewesen.
Asteroiden. Scanner. Laser. Verkauf.
Routine. Wiederholung. Präzision.

Sie hatte sich bewegt wie eine Maschine.
Effizient. Geplant. Unaufhaltsam.

Der T7 hatte gehalten.
Jeder Lauf war profitabel.
Aber er bremste sie.

Ladezeit. Sprungreichweite.
Trägheit beim Andocken.

Als würde man einen Marathon im Exosuit laufen.
Er brachte sie voran.
Aber nicht dorthin, wo sie hinwollte.

In einer Bar auf Arque Vision saß sie in der Ecke.
Allein.
Eine Serviette vor sich. Ein Stift.

Sie kritzelte.

„Doppelte Drohnensätze.“
„Drei Raffinerien?“
„Sensorreichweite + Ishmaak?“

Dann zeichnete sie drei Rechtecke untereinander.
T6. T7.
Und ein leeres Feld.

Sie tippte mit dem Stift in die Lücke.
„Was kommt jetzt?“
„Was kann ich fliegen, wenn ich alles fliegen kann?“

Später, zurück im Hangar.

Der T7 stand da wie ein Möbelstück, das man zu lange behalten hat.
Beleuchtet von der Restbeleuchtung.
Still.
Zu still.

Geraldine trat zur Konsole.
Öffnete die Schiffsliste.
Scrollte.
Las Preise.
Lachte leise bei manchen.
Grimmig bei anderen.

Dann blieb sie stehen.

Schiff verfügbar: Type-9 Heavy

Sie schnaubte.

„Du bist ein verdammter Tank mit Flügeln.“

Dann starrte sie auf den Preis.
Und runzelte die Stirn.

Verfügbar.
Bezahlbar.
Bereit.

Sie lehnte sich zurück.
Und flüsterte leise:

„Vielleicht ist das genau das, was mir fehlt.
Etwas, das größer ist als ich.
Weil ich langsam größer denke als ich war.“

Kapitel 6