
Stimmen zwischen den Sternen
Die Sterne reihten sich auf wie Perlen an einem unsichtbaren Faden. Jeder Sprung zerriss das Muster für Sekunden, nur damit es sich in neuer Ordnung zusammensetzte. Geraldine flog die Anaconda allein, während der Carrier weit hinter ihr nachzog – zu langsam für ihre Ungeduld, zu groß, um ihn je zurückzulassen.
Die Routine war einfach: Kurs berechnen, Energie ziehen, Sprung. Und doch veränderte sich alles zwischen Start und Ankunft. Ein blasser Zwerg, der kaum Licht gab. Ein Gasriese mit Ringen, die im Dämmerlicht wie zerbrochenes Glas funkelten. Eine namenlose Felswelt, deren Krater im Schatten blau glühten. Sie hatte schon Hunderte, vielleicht Tausende solcher Systeme gesehen – und trotzdem blieb der Blick an kleinen Dingen hängen, als müsste sie sie für jemanden festhalten.
Das Funkgerät knackte.
„Geraldine? Hier Kathleen.“ Ihre Stimme war hell, beinahe ungeduldig. „Ich habe die Daten gesehen, die du geschickt hast. Diese Strukturen auf dem letzten Scan – unfassbar! Sie reagieren fast wie Sporenkolonien. Weißt du, wie selten das ist?“
Geraldine lächelte schmal. Für Kathleen war alles ein Wunder. Für sie selbst war es Routine. Und doch spürte sie, wie Kathleens Begeisterung die Leere füllte.
„Vielleicht übersetzt du mir das eines Tages,“ antwortete sie.
Ein kurzes Schweigen, dann Kathleens ernster Ton: „Pass bitte auf dich auf.“
Stunden später meldete sich eine andere Stimme. Rau, ruhig, provozierend.
„Admiral. Schon satt vom Sternezählen?“ Amanda.
Geraldine fühlte, wie sich ein vertrautes Ziehen in der Brust regte. „Noch nicht. Aber ich könnte Gesellschaft gebrauchen.“
Ein trockenes Lachen. „Das klingt nicht nach dir. Du bist sonst die, die nie Gesellschaft braucht.“
„Vielleicht ändert sich das.“
Die Verbindung brach ab, aber ihre Gedanken liefen weiter.
Kathleen – neugierig, naiv, voller Energie. Eine Erinnerung daran, wie sie selbst einmal aufgebrochen war, ohne zu wissen, was sie suchte.
Amanda – hart, direkt, sicher. Eine Ankerleine, die sie hielt, selbst wenn sie es nicht zugeben wollte.
Geraldine sah hinaus ins Schwarz. Zwei Stimmen begleiteten sie: die eine wie ein leuchtender Funke, die andere wie ein ruhiger Pulsschlag.
Und sie selbst hing dazwischen – weit weg von Colonia, noch nicht zurück in der Bubble, irgendwo auf halbem Weg zwischen dem, was sie hinter sich gelassen hatte, und dem, was sie noch nicht verstand.
Die Sterne zogen vorbei. Sprung für Sprung, Woche für Woche. Und sie wusste: Die eigentliche Reise spielte sich längst nicht mehr vor der Cockpitscheibe ab.
Sie ist
Die letzten Sprünge hatten eine andere Spannung als all die Wochen zuvor. Geraldine saß in der Anaconda, sah den Zahlen beim Herunterzählen zu, und jeder Sprung schien schwerer zu wiegen, weil er das Ziel näherbrachte. Drei Mal noch, dann würde der Carrier in die Randgebiete der Bubble fallen.
Der Hyperraum legte sich wie ein Tunnel um das Schiff, verzerrte Licht und Raum, und als die Anaconda zurück in den Normalraum kippte, war da nur ein unscheinbarer Stern, gelb und blass. Doch die Navigationsanzeige blinkte grün: Distanz noch knapp dreihundert Lichtjahre. Nach so langer Reise fühlte sich die Zahl klein an – fast unglaubwürdig klein.
Der nächste Sprung brachte sie in ein dichter besiedeltes System. Funkverkehr flutete die Frequenzen, Händler meldeten ihre Ankünfte, Sicherheitskräfte wiesen Korridore zu. Nach den stillen Wochen zwischen den Sternen war es wie ein Sturm aus Stimmen. Geraldine reduzierte die Lautstärke, doch das Gefühl blieb: zu laut, zu nah.
Beim letzten Sprung begleitete sie den Carrier von der Brücke aus. Holland stand reglos an den Konsolen, die Crew schweigsam, jeder mit der unausgesprochenen Frage, ob sich die Rückkehr nach all der Zeit noch wie „Heimkommen“ anfühlen würde. Als der Sprungantrieb die Realität zerriss und neu zusammensetzte, glomm die Bubble vor ihnen auf – ein Chaos aus Lichtern, Bahnen und Signalen.
Geraldine legte die Hand an das Glas der Panoramascheibe. Vertraut. Aber fremd.
Die ersten Tage vergingen in Routinen. Docken, Berichte, kleine Aufträge. Alles funktionierte, doch es war leer. Amanda meldete sich nicht sofort, und obwohl Geraldine wusste, dass sie kommen würde, spürte sie die Lücke deutlicher, als sie es zugeben wollte.
Am vierten Tag schließlich meldete der Dockmaster den Anflug einer Fer-de-Lance. Geraldine musste nicht nachfragen.
Sie wartete auf der Galerie, als Amanda durch die Schleuse trat. Schulterlanges blondes Haar, der graue Pilotenanzug, der selbstsichere Gang – nichts daran hatte sich verändert. Und doch spürte Geraldine, wie etwas in ihr nachgab, als ihre Blicke sich trafen.
„Admiral,“ sagte Amanda, als wäre es ein Spitzname, der nie alt werden konnte.
„Du hast dir Zeit gelassen,“ erwiderte Geraldine trocken.
„Manche Dinge lohnen es, auf sich warten zu lassen.“ Amanda grinste und deutete in Richtung der Lounge. „Komm. Dein Carrier hat sicher bessere Drinks als die Station da draußen.“
Die Lounge lag im Halbdunkel, nur die Scheiben zum All warfen kaltes Licht in den Raum. Sie nahmen nebeneinander Platz, bestellten zwei Gläser, und für eine Weile sprachen nur die Systeme um sie herum.
Amanda war die Erste, die die Stille brach. „Also. Dieses Mädchen.“
Geraldine hob die Augenbrauen. „Kathleen.“
„Genau die.“ Amanda lehnte sich zurück, verschränkte die Arme. „Du erwähnst sie oft genug. Klingt, als hätte sie Eindruck hinterlassen.“
Geraldine drehte ihr Glas in den Händen. „Sie ist anders. Kein Pilot, keine Kämpferin. Sie sieht Dinge, die ich längst übersehe. Muster, Farben, kleine Wunder, die niemand beachtet.“
„Naiv also.“ Amandas Stimme war scharf, aber nicht kalt.
„Unverbraucht,“ korrigierte Geraldine. „Sie erinnert mich daran, dass man noch staunen kann. Und das ist selten geworden.“
Amanda zog eine Braue hoch. „Eine kleine Schwester, ja?“
„So fühlt es sich an.“
Amanda nippte an ihrem Glas, das provokante Lächeln noch immer auf den Lippen, doch in ihren Augen lag ein anderer Ton. „Dann hat sie etwas geschafft, was die meisten nicht schaffen: Sie bringt dich dazu, mehr als drei Sätze am Stück zu reden.“
Geraldine schnaubte leise, doch sie konnte das Lächeln nicht ganz unterdrücken. „Vielleicht.“
Das Schweigen, das folgte, war schwer, aber nicht bedrückend. Zwei Stimmen, zwei Welten, die aufeinanderprallten – und irgendwo dazwischen Geraldine, die spürte, dass beide Frauen Spuren in ihr hinterließen. Amanda war hier, greifbar, kontrolliert. Kathleen blieb fern, aber nicht weniger präsent.
Und in diesem Zwiespalt fühlte sie sich zum ersten Mal seit der Rückkehr nicht mehr ganz allein.
Zwischen uns
Die Lounge war beinahe leer. Nur das Summen der Systeme, das sanfte Flackern der Anzeigen an der Bar, draußen der ständige Strom von Schiffen, der wie ein ferner Regen an der Scheibe vorbeizog. Geraldine drehte ihr Glas zwischen den Fingern, das Kondenswasser hinterließ einen dunklen Ring auf dem Tisch. Amanda beobachtete sie schweigend, Kopf leicht schief, das Kinn auf einer Faust abgestützt.
„Du hast mir mal erzählt,“ begann Amanda leise, „dass du in so einer Station aufgewachsen bist. Kalt, steril, ohne Bindungen. Aber nicht, wie du da rausgekommen bist.“
Geraldine hob den Blick. Für einen Moment blitzte Widerstand auf – ein Reflex, der sie früher jede Frage hätte abprallen lassen. Doch Amanda sah sie nur an, unbeirrbar, ohne Druck, aber auch ohne Ausweichmöglichkeit.
„Es gab keinen großen Aufbruch,“ sagte Geraldine schließlich. Ihre Stimme klang härter, als sie wollte. „Kein Drama, keine Flucht. Man wird alt genug, und dann heißt es: raus. Arbeit, Unterkunft, fertig. Bei mir war’s eine Werft. Ein rostiger Hangar am Rand einer Station. Hüllen, Rümpfe, Kabel. Mein erster Job.“
Amanda rührte sich nicht, doch ihre Augen wurden wacher, fast scharf. „Und?“
Geraldine lachte leise, aber es war ein kurzer, bitterer Laut. „Und ich habe gelernt, wie man Schweißnähte zieht. Wie man Filter wechselt, Tanks spült. Ich habe Stunden damit verbracht, die Haut von Schiffen zu putzen. Keine Abenteuer. Nur Hände voller Öl und Augen voller Staub.“
Während sie sprach, tauchten Bilder auf, die sie nie vergessen hatte: der Geruch von erhitztem Metall, das grelle Aufblitzen eines Schweißbogens, das Gefühl, wenn man mit der flachen Hand über kalten Stahl strich. Sie sah sich wieder als Mädchen, kaum älter als sechzehn, die Finger wund, den Rücken schmerzend – und trotzdem dieses Kribbeln im Bauch, weil sie ahnte, dass diese Maschinen mehr waren als nur Schrott und Arbeit.
„Es war nur ein Bruchteil von dem, was ich heute weiß,“ fuhr sie fort, „aber es war der Anfang. Ich konnte hören, wann ein Rumpf müde war. Spüren, ob ein Schiff gesund war oder nicht. Über Antriebe, über Waffen, über all die Feinheiten hatte ich keine Ahnung. Aber ich wusste, wie sie atmen. Das hat gereicht.“
Amanda zog langsam die Brauen hoch. Kein Spott, nur ein leiser Hauch von Anerkennung. „Also doch kein Zufall, dass du heute mit einer ganzen Flotte herumziehst. Du warst von Anfang an in den Rümpfen zuhause.“
„Zuhause?“ Geraldine schüttelte den Kopf, ein schwaches Lächeln auf den Lippen. „Es war der erste Ort, an dem mich niemand ausgetauscht hat. Solange ich gearbeitet habe, durfte ich bleiben. Das war alles.“
Einen Moment war nur das Summen der Systeme zu hören. Amanda nahm einen Schluck, stellte das Glas mit einem dumpfen Ton ab und beugte sich vor. Ihr Blick war ernst, bohrend, so anders als das spöttische Lächeln, das Geraldine sonst kannte. „Und du wunderst dich, dass du dich mehr an Schiffe bindest als an Menschen?“
Geraldine sah sie lange an. „Es wundert mich nicht. Aber erklären tut’s vielleicht.“
Ihre Worte hingen zwischen ihnen, schwer und wahr. Amanda streckte langsam die Hand aus, als wolle sie die Distanz überbrücken, stoppte dann, nur Zentimeter entfernt. Die Geste war so kontrolliert wie sie selbst – nichts Überstürztes, nichts, was wie Trost wirkte. Aber es reichte. Geraldine spürte die Wärme trotzdem, als hätte Amanda sie wirklich berührt.
In dieser Stille, in diesem beinahe-Kontakt, lag mehr Nähe, als jedes offene Geständnis hätte schaffen können. Geraldine merkte, wie etwas in ihr nachgab – nicht weil sie schwächer wurde, sondern weil Amanda genau die Stärke zeigte, die sie brauchte: zuhören, verstehen, und nichts erzwingen.
Es war kein Moment der großen Worte, kein Bekenntnis. Aber es war ein Schritt. Und für Geraldine fühlte es sich größer an als jeder Rang, jeder Sprung, jede Schlacht.
Amanda zog die Hand zurück, griff wieder nach ihrem Glas und nahm einen letzten Schluck. „Weißt du,“ sagte sie trocken, „ich hätte dich gern gesehen – du, mit einem Eimer Seifenwasser, Schiffsplanken schrubbend. Klingt fast… menschlich.“
Geraldine blinzelte, überrascht von der plötzlichen Wendung. Dann musste sie lachen – ein echtes, kurzes, warmes Lachen, das sie selbst überraschte. „Sei froh, dass es davon keine Aufzeichnungen gibt.“
Amanda grinste, und für einen Moment war die Schwere fort. Doch das Band, das zwischen ihnen gespannt worden war, blieb bestehen – fester als zuvor.
Ein Ort, der bleibt
Die Panoramascheibe zog das Licht der Bubble wie ein Kaleidoskop in den Raum. Frachter schoben sich in Bahnen, Jäger kreuzten, und im Hintergrund brummte der Funkverkehr wie ein ständiges Summen, das jede Stille überlagerte. Geraldine stand dicht am Glas, die Arme verschränkt, die Stirn leicht dagegen gelehnt. Amanda hatte sich auf die Lehne eines Sessels gesetzt, ein Bein lässig angewinkelt, als wäre sie hier längst zuhause.
„Du wirkst, als würdest du dich fragen, warum du überhaupt zurückgekommen bist,“ sagte Amanda schließlich.
Geraldine zuckte kaum merklich die Schultern. „Vielleicht tue ich das.“ Ihr Blick blieb draußen, auf den Linien der Handelsrouten. „Es ist alles zu nah, zu laut. Nach Colonia fühlt sich die Bubble an wie… ein Käfig.“
Amanda grinste schief. „Der Käfig, in dem neunzig Prozent aller Piloten freiwillig hocken. Aber ja – für dich passt das Bild.“
Geraldine schwieg eine Weile, dann atmete sie tief durch. „Weißt du, manchmal denke ich… irgendwann hätte ich gern etwas Eigenes. Etwas Festes. Kein Carrier, der springt, wohin ich will. Einen Ort, der bleibt.“
Amanda lachte leise, trocken, aber nicht boshaft. „Du redest, als könntest du morgen irgendwo einen Außenposten hinstellen. Das geht nicht, Geraldine. Nicht mal du kannst das.“
Geraldine drehte den Kopf und sah sie ernst an. „Mag sein. Aber der Gedanke ist da. Und er bleibt. Vielleicht ist er dumm, vielleicht unmöglich – aber er ist da.“
Amanda erwiderte den Blick, und für einen Moment war da nichts Spöttisches mehr. „Du und deine unmöglichen Ideen,“ sagte sie leiser. „Manchmal denke ich, genau das macht dich gefährlich. Und lebendig.“
Geraldine wandte sich wieder dem Glas zu, doch die Worte hatten etwas in ihr bewegt. Es fühlte sich an, als hätte sie Amanda einen Traum gezeigt, den sie sonst niemandem gezeigt hätte. Und Amanda hatte ihn nicht verlacht – nur eingeordnet. Auf ihre Art.
Die Stille dehnte sich, bis Amanda sie mit einem scheinbar beiläufigen Satz durchbrach: „Und dieses Mädchen. Kathleen.“
Geraldine hob die Brauen, reagierte nicht sofort. Amanda ließ die Pause wirken, dann sprach sie weiter, ruhig, ohne Spott: „Du redest von ihr anders. Nicht wie von einer Rivalin, nicht wie von einer Schülerin. Sondern so, als würde sie dir einen Spiegel hinhalten. Und das finde ich interessant. Wenn sie dir so wichtig ist – dann will ich sie eines Tages kennenlernen.“
Geraldine drehte das Glas in den Händen, ihre Stimme ruhig, aber fest. „Dann müsstest du mitkommen nach Colonia.“
Amanda zog eine Braue hoch, als hätte sie genau darauf gewartet. „Colonia also. Das sind keine drei Sprünge, Admiral.“
„Nein,“ erwiderte Geraldine trocken. „Eher drei Wochen. Wenn man’s gemütlich nimmt.“
Ein kurzes Lachen huschte über Amandas Gesicht, leise, ehrlich. „Vielleicht tue ich mir das irgendwann an. Aber nur, um zu sehen, ob sie wirklich so viel Staub wert ist, wie du behauptest.“
Geraldine schüttelte den Kopf, konnte sich das Lächeln aber nicht verkneifen. „Du würdest sie mögen. Oder sie dich gar nicht.“
„Beides klingt interessant,“ konterte Amanda und trat näher ans Glas. Ihre Schulter berührte flüchtig Geraldines Arm, eine Geste, die beiläufig wirkte, aber Gewicht hatte. „Bis dahin bleibe ich hier. Und du wirst mir erklären müssen, warum dich so ein Mädchen mehr zum Staunen bringt als all deine Schiffe.“
Geraldine hielt den Blick auf die Sterne gerichtet. „Vielleicht, weil sie sieht, was ich längst übersehe.“
Amanda nickte langsam, und zum ersten Mal an diesem Abend schwieg sie, ohne dass es etwas zwischen ihnen brach.
Fremdes Zuhause
Der Carrier vibrierte leise, wie ein Tier, das endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Wochenlang hatten Sprünge und Leere den Takt bestimmt, nun war es wieder die Bubble, die den Rhythmus vorgab. Schiffe kamen und gingen, Frequenzen rauschten, und jeder Raum an Bord schien voller Stimmen.
Geraldine bewegte sich durch die Korridore, grüßte knapp, wenn ihr Crewmitglieder begegneten. Rosie Wilkinson saß in der Kantine, lachte laut über irgendetwas, das sie einem Techniker erzählte. Holland Ratliff stand wie immer an den Anzeigen, murmelte nüchtern die Verbrauchswerte des Treibstoffs, als sei nie etwas anderes gewesen. Alles funktionierte, alles war Routine – und doch fühlte sich Geraldine fehl am Platz.
Sie nahm sich ein Tablett, ließ den dünnen Kaffee in den Becher laufen und setzte sich abseits an einen der Tische. Das Stimmengewirr ringsum drang an sie heran, ohne dass sie sich einklinken wollte. Für die Crew war es Rückkehr, vielleicht sogar Heimkehr. Für sie selbst war es nur ein Übergang.
Später, zurück in ihrer Kabine, legte sie sich den kleinen Datenchip in die Hand. Transparent, unscheinbar – und doch mehr als nur ein Stück Speicher. Kathleen hatte ihn ihr in Colonia gegeben, voller Skizzen und Aufnahmen: Sporen, Gesteinsmuster, kleine Wunder, die sie unterwegs gesammelt hatte. Geraldine drehte ihn zwischen den Fingern. Für Kathleen war er ein Geschenk, ein Anker. Für Geraldine war er Erinnerung daran, dass es auch andere Wege gab, das All zu sehen.
Sie legte den Chip beiseite, nahm den Becher mit hochgezogenem Kaffee und ging zur Panoramascheibe. Draußen wirkte die Bubble wie ein aufgeschlagenes Nest. Lichter blinkten, Schiffe zogen Spuren, Stimmen überlagerten sich im Funk. Nach den stillen Tagen und Nächten unterwegs fühlte es sich nicht nach Heimat an, sondern nach einem Markt, in dem man kaum Luft bekam.
Amanda war wieder da. Ihr Lächeln, ihr Spott, ihre Nähe – all das gab Geraldine Halt, auch wenn sie wusste, dass Amanda nie lange an einem Ort blieb. Vielleicht war das Teil ihres Bandes: dass keine von beiden Besitz beanspruchte, und sie sich trotzdem fanden. Das Gespräch über Kathleen hatte etwas verändert. Amanda hatte nicht gespottet, nicht weggesehen. Sie hatte zugehört – und Geraldine hatte gemerkt, dass sie mehr erzählt hatte, als sie jemals jemandem erzählt hatte.
Sie schloss die Augen, lehnte die Stirn gegen das Glas. Fremdheit kroch in ihr hoch, schwerer als Müdigkeit. Es war die Bubble, aber nicht mehr ihre Bubble.
„Zurück,“ murmelte sie leise. „Aber nicht dieselbe.“
Der Carrier summte weiter, geduldig, als würde er warten, bis sie wieder einen Kurs setzte. Morgen würde es wieder Missionen geben, Aufträge, Ränge, vielleicht auch Kämpfe. Doch für diesen Moment saß Geraldine still, zwischen dem Lärm da draußen und der Stille in ihr.