Kapitel 20 – Das Herz der Milchstraße

Aufbruch ins Ungewisse

Seit Wochen hatte der Gedanke in ihr gearbeitet. Colonia war erreicht, Kathleen hatte ihr eine neue Sicht auf die Sterne geschenkt, Amanda blieb im Funk immer nah – und doch zog etwas an ihr, das größer war als beides. Das Zentrum. Sagittarius A*, der dunkle Kern der Galaxis.

Nun war der Moment da.

Die Andockklammern lösten sich, und die Anaconda glitt von Jaques Station weg wie ein großer, geduldiger Fisch. Colonia blieb als helles Nest aus Positionslichtern zurück, ein Netz aus Linien und Punkten, das versprach, man könne jederzeit wiederkommen. Geraldine wusste, dass das stimmte. Sie wusste auch, dass sie es nicht so schnell tun würde.

„Navigation grün. Treibstoff grün. Lebenserhaltung grün.“ Ihre eigene Stimme klang zu laut in der Kabine. Also schwieg sie und ließ die Systeme sprechen: leise Töne, die wie Atemzüge aus Metall wirkten. Der erste Sprung riss die Sterne in Streifen. Als der Tunnel sie freigab, war da nur der nächste Stern, gelb und unentschlossen, und die altvertraute Frage in ihr: Wie weit ist weit genug?

Sie stellte den Frequenzscanner scharf. Der Honk des Entdeckers lief durch den Raum, eine Welle, die jeden Schatten abtastete. Spektrallinien, Planetenmarker, kalte Signaturen: die Anzeigen füllten sich, und die Stille bekam wieder Struktur. Geraldine zoomte in die FSS-Ansicht und löste die Töne eines Eisriesen aus, dann eine Handvoll Gesteinswelten. Keine besonderen Werte, keine Siedlungen, nur Kreise auf einer Karte. Das reichte.

Der zweite Sprung war leichter, der dritte fühlte sich an wie Routine. Später ein blasser Zwerg, dessen Licht fast keine Farbe kannte; weiter draußen ein Doppelstern, der sich in der Entfernung wie zwei glänzende Nägel ins Schwarz drückte. Sie nahm, was die Systeme hergaben: Scans, Kartierungen, ein Satz Koordinaten ins Log. Ihr Bordcomputer kommentierte nüchtern: Erster Eintrag für System. Zwei Minuten später meldete er: Erstbetretung registriert – eine Felswüste, feiner Staub, ein Himmel, der an der Kante violett wurde.

Die Landung war sauber. Das SRV löste sich von der Rampe, als wäre es froh, endlich Boden zu haben. Geraldine fuhr ein paar Kreise, ließ die Federung sprechen, tastete die Fläche ab. Es gab hier wenig zu sehen: flache Hügel, eine Senke mit dünnen Rissen, die bei näherem Hinsehen wie alte Flussbetten wirkten. Der Scanner piepte kurz über einem Mineralfeld – nichts, das Geschichten wollte, alles, das Zahlen war. Sie stieg aus, nur für eine Minute, und setzte den Stiefel in staubigen Boden. Erstbetretung, sagte das Log. Der Wind war kein Wind, nur Druckunterschiede, die den Staub in zögerlichen Bögen versetzten. Das reichte.

Wieder an Bord, ließ sie die Anaconda steigen. Die Hülle vibrierte ein wenig, als müsse das Schiff sich strecken nach den Sprüngen. Geraldine stellte eine Route, die kein Name zierte: dreißig Sprünge gen Zentrum, dann neu berechnen, dann wieder. Irgendwann bemerkte sie, dass sie langsamer atmete, wenn der Tunnel sie hielt, und schneller, sobald er sie freigab – als würde der Hyperraum die Luft ordnen und die Normalität sie wieder durcheinanderbringen.

Sie dachte an Amanda. Nur kurz, wie an einen Namen, den man unwillkürlich murmelt. Später, sagte sie zu sich. Sie dachte an Kathleen, daran, wie diese die grauen Flächen in Mustersprachen übersetzte. Lies du mal die Sterne, Kleines, dachte Geraldine, ich kümmere mich um die Wege dazwischen.

Tage wurden aneinandergefädelt wie Perlen, von denen man später nicht mehr weiß, welche die schönste war. Es gab Systeme, die wie aufgeräumt wirkten – ein Stern, drei Planeten, alles sauber auf Kreisbahnen. Und es gab Systeme, die aussahen, als hätte jemand eine Handvoll Steine geworfen und vergessen, aufzuräumen: Dutzende Körper, Kippen in den Bahnen, Resonanzen, die seltsame Takte schlugen. Einmal stieß sie auf eine Welt, deren Schattenseite in tiefem Blau glomm, als lägen dort eingefrorene Meere unter dünnem Eis. Das Mapping ergab mineralische Fluoreszenzen; die Anzeige zeigte nüchtern 100 % Kartierung. Im Kopf blieb nur das Blau.

Abends – wenn man das so nennen wollte – kochte sie Wasser, trank etwas, das Tee sein sollte, und schrieb zwei Zeilen ins Log: Datum, Distanz zum galaktischen Zentrum, eine Notiz, die nur aus drei Worten bestand: Weiter. Immer weiter. Der Bordtag hatte keine Abwechslung nötig. Sie war der Wechsel.

Nach einer Woche tauchte ein Nebel am Rand ihrer Route auf, so dünn, dass man ihn nur sah, wenn man nicht danach suchte. Sie machte einen Umweg, ließ die Anaconda langsamer springen, als wollte sie dem Anblick Zeit geben, sich zu erklären. Die Gaswolke zog fahlen Schimmer über alles, und die Sterne dahinter wirkten wie frisch polierte Kanten. Geraldine dachte, dass es schön war, ohne dass sie hätte sagen können, warum. Sie setzte einen Waypoint ins Log, der später niemandem nützen würde. Vielleicht genau deshalb.

Die Einsamkeit tat, was Einsamkeit immer tut, wenn sie lange genug Raum bekommt: Sie wurde weich. Nicht drohend, nicht beißend. Sie lag einfach um sie herum wie eine Decke, die man so lange auf den Schultern getragen hat, bis man vergisst, dass sie Gewicht hat. Manchmal sprach Geraldine laut, nur um die Stimme im Raum zu hören. Einmal erzählte sie dem Schiff, es sei störrisch, worauf die Triebwerke in einem Moment schlechter Laune zu brummen schienen. „Ruhig, Alte“, sagte sie und legte die Hand an die Konsole. Die Anzeigen lächelten nicht zurück, aber sie waren freundlich.

Sie nahm Erstbetretungen mit, als wären es Kieselsteine, die man in eine Tasche steckt: kleine, unscheinbare Erinnerungen, die am Ende mehr zählen als die großen Funde. Auf einem mondlosen Gesteinsbrocken setzte sie nur auf, um wieder aufzusteigen – die Gravitation war gering, der Staub flog in glitzernden Bögen und fiel so langsam, dass es wie eine Lüge aussah. Auf einer anderen Welt blieb sie länger, weil der Horizont dort so dicht am Boden klebte, dass man meinen konnte, die Welt sei zu klein für ihn. Der Scanner fand Spuren von Mikrostrukturen im Gestein, die nicht leben, aber auch nicht völlig tot waren. Sie markierte den Ort für Kathleen, schrieb: Würde dir gefallen.

Einmal vibrierte der Funkkanal, ein kurzer Ping, der so zart war, dass sie erst dachte, es sei eine Fehlmeldung. Kathleen hatte eine Nachricht geschickt, nur drei Zeilen:
„Halt Ausschau nach fächerartigen Schatten in der Dämmerung. Kann auf Fluoreszenz hindeuten. Und iss etwas Anständiges.“
Geraldine lächelte und antwortete später, zwei Sprünge weiter: „Hab’ Blau gesehen. Und ja, ich esse.“ Sie tat es nicht. Aber die Nachricht reichte, um den Abend leiser zu machen.

Das Zentrum kam nicht näher, es wurde nur größer. In den Karten rückte es auf sie zu, ein stiller Wirbel, der in Zahlen gekleidet war. Draußen blieb es wie immer: Sterne, Staub, Bahnen. Und doch war da diese Schwere in der Richtung, die man spürt, bevor man sie messen kann – als läge im Nichts ein Gewicht, das die Gedanken anzieht.

Eines Morgens – der Bordzeit nach – fand sie ein System, das ihr den Atem kurz anhielt: ein binäres Paar, eng umeinander, in ein hauchfeines, graues Band aus Staub gehüllt. In der Ferne flackerte ein dritter, kalter Begleiter, der so weit draußen lief, als hätte er beschlossen, nur der Zuschauer zu sein. Sie ließ die Anaconda in großem Bogen durch die Ebene der Ringe gleiten und schaltete die Außenkameras auf. Das Bild würde sie Amanda schicken, irgendwann. Vielleicht.

Geraldine speicherte die Aufzeichnung, legte eine neue Route und schob den Schubregler nach vorn. Das Schiff antwortete mit diesem vollen, tiefen Brummen, das sie immer beruhigte. In der Stille danach hörte sie etwas, das fast wie das eigene Herz klang – ein regelmäßiger, kleiner Klick der Thermik im Gehäuse hinter ihr. Jedes Schiff hat seine Eigenheiten; die Anaconda sprach in Klicks.

Am Ende des ersten großen Bogens – zweitausend Lichtjahre seit Colonia, mehr Leerraum als Erinnerung – stoppte sie den Autopiloten. Vor ihr lag ein Planet mit hohem Eiseintrag, die Anzeige versprach Boreale Strukturen in der Dämmerung. Sie prüfte die Gravitation, runzelte die Stirn, rechnete zweimal nach, nickte. Sicher genug. Sie schob die Nase leicht, gab Schub, und die Anaconda senkte sich in einen Himmel, der aus zwei Farben bestand. Der Aufsetzpunkt lag im Schatten einer niedrigen Hügelkette, die Scanner waren hungrig, und Geraldine war es auch – nach einem weiteren Stück Welt, das ihr keiner wieder ausreden konnte.

Sie setzte das Fahrwerk, atmete aus und dachte: Weiter. Immer weiter.
Noch wusste sie nicht, dass der nächste Boden härter sein würde, als die Anzeigen es versprachen. Noch fühlte sich alles an wie Plan.

Sie tippte eine kurze Log-Zeile für sich selbst:
„Sagittarius: Kurs bestätigt. Körper: namenlos. Pilot: ruhig.“
Dann öffnete sie die Rampe. Die Welt wartete.

Der harte Aufschlag

Der Planet sah harmlos aus. Ein blasser, staubiger Ball mit einem dünnen Kranz aus Dunst am Morgenrand, Gravitation im grünen Bereich, nichts, was man nicht schon hundertmal getan hätte. Geraldine hing über den Anzeigen, ließ den Gleiter steil abbremsen, korrigierte den Ansatzpunkt, schaltete die Landebeine scharf.

„Grav: 1,2 g,“ murmelte sie. „Passt.“

Die Anaconda senkte die Nase. Das Triebwerksrauschen wechselte in dieses hohle, satt klingende Dröhnen, wenn die Düsen gegen Bodenluft arbeiten. Der Staub hob sich, gab sofort wieder nach. Alles normal. Bis die Kante unter ihr wegbrach.

Die Landezone hatte eine leichte, kaum sichtbare Stufe – ein alter Flusslauf, vom Scanner als flacher Schatten gemeldet. Die höhere Gravitation biss in derselben Sekunde härter, als die Berechnung hergegeben hatte. Die Düsen gingen an die Grenze, die Sinkrate fiel—aber nicht genug.

Der Aufschlag kam nicht als Knall, sondern als wuchtiges, tiefes Bumm, das durch den ganzen Rumpf kroch. Ein Geräusch wie ein eingedrückter Brustkorb. Anzeigen sprangen auf Rot. Hülle –12 %–18 %–26 %. Der Sitzgurt riss an ihrer Schulter. Die Anaconda sackte auf die Beine, hüpfte, schliff, kam quer, stand. Einen Herzschlag lang war alles still. Dann heulten die Alarme.

„Abschalten, abschalten, abschalten,“ zählte sie durch die Zähne, und ihre Hände waren schneller als ihr Kopf. Schilde waren längst fort; sie nahm den Power-Distributor auf Notlast, drosselte die Hilfssysteme, schloss drei Schottbereiche, in denen der Druck gefallen war. Irgendwo knirschte etwas, als hätte ein Riese das Schiff zwischen die Finger genommen und leicht gedrückt.

Sie atmete, hörte auf das Summen, das Klacken der Relais, die zischenden Druckausgleicher. Das Schiff lebte. Es litt, aber es lebte.

„Status.“

Die KI brabbelte nüchtern: Hüllenintegrität 41 %. Strukturelle Verformung: Segment C-Deck Steuerbord. Interne Lecks: zwei. Module beschädigt: Thruster, PD, FSD (leicht), Sensorsuite. Keine Feuerwarnung. Kein Kühlmittelverlust. Glück im Unglück, dachte sie und zwang die Hände ruhig.

Sie ging das Programm wie im Schlaf: Schotts verriegeln, die zwei Lecks isolieren, die Drucklinien in eine Hilfsleitung legen, die sie sonst nie brauchte. Dann das AFMU scharf, der kleine, unterschätzte Kasten, der intern repariert, was kein Mensch anfassen kann. „FSD priorisieren. Thruster Sekundär. Sensorsuite am Ende.“ Das Modul piepte, begann in seinem leisen, fleißigen Rhythmus zu arbeiten.

Erst als die Anzeigen wieder zu atmen schienen, merkte Geraldine, dass ihre eigenen Finger zitterten. „Nur ein Aufsetzer,“ sagte sie halblaut, als könne man das Ereignis damit in die richtige Größe sprechen. Sie schnallte sich ab, nahm Helm und Werkzeugtasche und ging in den Bauch des Schiffs.

Drei Tage lang war die Anaconda eine Baustelle.

Der Riss am C-Deck zog sich wie eine unsaubere Narbe über die Innenverkleidung; dort hatte die Struktur Scherkräfte geschluckt, die nicht vorgesehen waren. Geraldine schnitt die Paneele frei, setzte Klammern, klebte Trägerplatten aus dem Reparatursatz auf, fixierte sie mit Schnellhärtern, deren Geruch nach Metall und Zitrone in der Luft hing. Sie ließ Reparatur-Limpets über die Außenhaut krabbeln, jede ein kleiner, stoischer Käfer, der Kerben glättete und Risse füllte, bis das Material wieder auf Dichtigkeit kam.

Als die Sonne des Planeten in flachem Winkel stand, ging sie im Anzug hinaus. Der Staub stieg ihr in Bögen entgegen, jede Bewegung blieb einen Moment im Bild hängen, ehe die Gravitation sie abholte. Sie legte die Hand an den Rumpf, fühlte durch den Handschuh das dumpfe Vibrieren der Lebenserhaltung. „Stur,“ sagte sie leise zu dem Stahl. „Aber zäh.“

Zurück in der Kabine legte sie Zyklen mit dem AFMU; FSD auf 100 % Integrität, Power Plant entlasten, Distributor flicken, bis die Lastverteilung wieder aufhört zu jammern. Der rechte Vertikalthruster bekam nicht mehr als 83 % Schub – genug für Start, nicht für Kunststücke. Sie machte sich eine mentale Notiz: Keine knappen Landezonen. Nicht auf diesem Schwerkörper.

Am zweiten Abend funkte sie. Nicht SOS, nur Reichweite.

„An alle Träger im Sektor. Explorer Anaconda, Hüllenschaden, interner Aufbau stabil, Reparatur im Gange. Frage: nächstgelegener Carrier mit Werft?“ Sie ließ den Ping einmal, zweimal, dreimal raus.

Die Antwort kam erst am Morgen: „Carrier Duskmantle, tiefer Raum, Kurs Richtung Zentren, Entfernung etwa 750 Lj. Werft voll funktionsfähig. Nächster Sprung: in 28 Stunden. Dockfenster 2 Stunden davor bis 1 Stunde danach.

Sie starrte auf die Zahlen. 750 Lj waren nichts, wenn man ein gesundes Schiff hatte. Mit einem verstauchten Koloss und einem Thruster, der nur die halbe Wahrheit versprach—war es ein Ritt auf rohen Eiern.

Sie holte Luft. „Plan.“ Sie sprach mit sich selbst, weil die Stille sonst zu laut wurde. „Wir machen das in Blöcken. Fünfzig bis sechzig Lj pro Segment, kein Neutronen-Bootstrapping, keine Hitzespitzen. Scoop nur unter 65 % Wärme. Falls die Kühlkreise mucken, Heat-Sinks bereit. Und keine Landungen. Null.“

Sie schrieb eine kurze Nachricht an den Duskmantle: „Bestätige Anflug. Eintreffen voraussichtlich innerhalb Fenster. Bitte Frequenz offen halten.“ Dann setzte sie sich an die Route.

Die ersten zehn Sprünge waren Prüfungen, keine Reise. Jeder Countdown fühlte sich länger an, jeder Tunnel enger. Sie hielt die Wärme sauber, zog nur kurze Scoops an Hauptreihensternen, blieb, wenn nötig, in Supercruise, um das AFMU weiterarbeiten zu lassen. („Nur du und ich“, murmelte sie einmal, als die Anzeige des FSD auf 98 % fiel und sich wieder hocharbeitete.

Beim dreizehnten Sprung stieg die Temperatur zu schnell. Ein unruhiger K-Typ mit wechselnder Konvektion – die Anzeigen liefen fünf Grad höher als geplant. Geraldine riss den Schub raus, kippte das Schiff, öffnete eine Heat-Sink. Der ausströmende Dampf ließ den Bildschirm in falsches Frostlicht tauchen. Wärme 57 %. Sie lächelte schief. „Artig.“

Zweimal musste sie den Kurs neu legen: ein Sternencluster, der ihre Umweglogik verhöhnte; später ein offenes Feld aus L- und T-Zwergen, die ihr nur schlechte Scoops boten. Jedes Mal biss sie die Zähne zusammen und erinnerte sich daran, dass Geduld die billigste Ressource ist, die man im All besitzt.

Nach 300 Lj schrieb Duskmantle: „Bestätigt. Kursdaten empfangen. Wir halten das Fenster. Sprung T–11.“ Jemand setzte einen Smiley dahinter. Es fühlte sich an wie ein Schulterklopfen. Sie antwortete nicht. Nicht, bevor sie es sah.

Sie hielt das Schiff leicht, so gut es ging. Alles, was nicht gebraucht wurde, ging auf Standby. Forschungsdrohnen? Aus. Zweiter Schildbooster? Aus. Zusätzliche Sensorpakete? Aus. Die Anaconda lief auf dem schmalen Kern dessen, was ein Schiff braucht, um Schiff zu sein: Antrieb, Sprunganlage, Luft. Der Rest durfte abwarten.

Je näher sie dem Rendezvous kam, desto mehr hörte sie auf Geräusche. Ein leises „tick“ in der rechten Seitenverkleidung? Wärmeausdehnung. Ein kurzes Zucken im Pitch? Der Thruster, den sie schonen musste. Sie fuhr das Schiff, als wäre es ein alter Freund, der nach einer OP zum ersten Mal wieder die Treppe nimmt.

Bei 600 Lj Entfernung nahm sie sich die Zeit für einen einzigen Honk in einem leeren System. Das vertraute dröhnende Signal lief hinaus, und etwas in ihr wurde ruhiger. Sie scannte nichts. Sie wollte nur hören, dass die Welt noch antwortet.

Bei 720 Lj fing Duskmantle sie aktiv: „Visierkurs 031/Mark 7. Beacon aktiv. Dockfenster T–1:15. Wir sehen Sie in einer Stunde.“ Sie schnaubte ein Lachen, das keins sein wollte. „Ihr seht mich, wenn ich da bin.“

Der letzte Sprung. Temperatur sauber, FSD stabil, Thruster grummelig. Der Tunnel zog sich; dann spuckte er sie aus, und da lag der Carrier: dunkelblau lackiert, der Name wie ein Versprechen über dem Rumpf, Lichterketten wie Stadtstraßen in der Nacht. Das Beacon blinkte langsam, geduldig.

Duskmantle, hier Explorer Anaconda. Hülle 38 %. Bitten um Docking außen, keine Schleifen, keine Manöver, die hübsch aussehen.“

„Verstanden, Explorer. Linie frei. Wir führen Sie rein.“

Sie atmete, fuhr die Geschwindigkeit in die Breite, nicht in die Höhe, ließ die großen Düsen arbeiten, als sie die Docklinie nahm. Der rechte Vertikalthruster röchelte einmal beleidigt, fing sich. Das Fahrwerk kippte minimal, sie kompensierte, und dann war da dieses weiche, unwirkliche Gleiten, wenn Magnetfelder die Arbeit übernehmen. Die Anaconda sank wie in eine Hand.

Aufgesetzt.

Geraldine saß noch da, nachdem die Triebwerke verstummt waren. Sie legte die Hände auf das Panel, ein leiser Dank, den niemand hörte. Dann atmete sie aus, so tief, als hätte sie es tagelang vergessen.

„Explorer, willkommen auf Duskmantle. Werft ist informiert. Wir nehmen Sie sofort in die Reihe. Und… gutes Fliegen.“

„Danke,“ sagte sie. Mehr fiel ihr nicht ein, was wirklich meinte, was es sagen sollte.

Die Werft roch nach Schmieröl und Solventen. Menschenstimmen mischten sich mit dem Sirren der Roboterarme. Als die Verkleidungsteile fielen, sah Geraldine die Wahrheit ihres Aufpralls: verbogene Rippen, abgeriebene Halterungen, ein Rahmen, der Arbeit brauchen würde. Sie unterschrieb Freigaben, beantwortete Fragen, nannte Zahlen, die sie lieber nicht laut gemacht hätte. „Ja, ich bleibe an Bord. Nein, ich brauche kein Quartier. Doch, Kaffee wäre nett.“

Sie trat zur Seite, als ein Team mit einem schlittenartigen Scanner an ihr vorbeizog. In diesem Moment hörte sie eine Stimme hinter sich, ruhig und unverkennbar:

„Ich hätte wissen müssen, dass du’s überlebst.“

Geraldine drehte sich um. Das Gesicht war ihr fremd – aber das leise Lachen am Satzende nicht. Es klickte.

„Solari?“

„Elena, ja.“ Ein knappes Nicken. „Schön, dich mal in voller Auflösung zu sehen und nicht als Trägersignal.“

Elena musterte die angeschlagene Anaconda. „Das da schreit nach Ich war mir sicher, es geht noch ein bisschen.“

„Es ging fast ein bisschen zu weit,“ sagte Geraldine.

Fast hält uns am Leben.“ Elena deutete zur kleinen Bar am Rand der Werft, eine Nische mit zwei Hockern und einer ramponierten Maschine. „Kaffee? Du siehst aus, als bräuchtest du echten.“

Geraldine sah kurz zu ihrem Schiff, dann zu Elena. „Kaffee klingt richtig.“

„Dann erzähl, wie nah du dem Boden gekommen bist, bevor du’s geglaubt hast,“ sagte Elena, während sie zwei Becher füllte. „Und ich erzähle dir, wie weit man gehen kann, bevor das Zentrum zurückschaut.“

Geraldine nahm den Becher. Der erste Schluck schmeckte nach bitter und nach Zuhause.

Draußen, hinter der Werft, funkelte eine Richtung, die alle anderen verschluckte. Das Herz der Galaxis lag noch vor ihr. Aber im Moment reichte es, dass die Anaconda atmen durfte – und dass jemand daneben stand, der verstand, wie knapp fast sein kann.

Ein kurzer Halt, der bleibt

Sie saßen nebeneinander auf den wackligen Hockern, beide mit den dampfenden Bechern in den Händen. Eine Weile sprachen sie nicht, hörten nur dem Kreischen der Werkzeuge zu, die sich in Geraldines Anaconda vergruben.

„Weißt du,“ begann Elena schließlich, „ich erinnere mich noch an unser letztes Gespräch. Damals, auf dem Highway. Du klangst, als würdest du eine Richtung suchen. Hat sich das geändert?“

Geraldine schnaubte leise. „Geändert? Vielleicht. Aber gefunden? Keine Ahnung. Ich fliege, weil…“ Sie stockte. Das Wort lag ihr auf der Zunge, und doch wollte sie es nicht sagen. Weil ich sonst nicht weiß, wer ich bin. Stattdessen nahm sie einen Schluck. „…weil es einfacher ist, als stehenzubleiben.“

Elena nickte, als hätte sie das schon hundertmal gehört. „Stillstand frisst mehr Leute, als jeder Kampf. Ich hab Piloten gekannt, die sind in einer Station gesessen, haben gewartet, dass ihr Leben anfängt – und nie wieder das Dock verlassen.“

„Und du?“ fragte Geraldine. „Was hält dich unterwegs?“

„Die Stille,“ antwortete Elena ohne Zögern. „Das Gefühl, dass niemand etwas von mir will. Keine Aufträge, keine Erwartungen. Nur Sterne, die mir egal sind, und mir trotzdem alles geben.“ Sie lehnte sich zurück, drehte den Becher zwischen den Fingern. „Aber manchmal,“ fuhr sie leiser fort, „ist es auch nur eine Art, nicht nach Hause gehen zu müssen.“

Geraldine sah sie prüfend an. Da war ein Schatten in der Stimme, ein Unterton, den sie gut kannte. Sie schwieg, bohrte nicht nach. Stattdessen legte sie den Arm auf die Lehne des Hockers und ließ den Blick durch den Hangar schweifen.

„Vielleicht ist das der Trick,“ sagte sie schließlich. „Wir tun so, als hätten wir ein Ziel. Dabei versuchen wir nur, weit genug zu fliegen, bis die Dinge hinter uns verschwimmen.“

Elena grinste schief. „Dann trinken wir auf die Unschärfe.“ Sie hob den Becher.

Geraldine stieß an, das billige Metall klirrte dumpf. Für einen Moment war es egal, dass draußen ein Schiff mit halber Hülle auf die Reparatur wartete und dass die Galaxis voller Gefahren war. Es war nur ein kurzer Halt – aber einer, der sich anfühlte, als könnte man ihn festhalten.

Die beiden saßen noch immer an der Bar, als die ersten Techniker vom Hangar herüberkamen. Ölige Hände, müde Gesichter, der Tonfall halb Respekt, halb Verzweiflung.

„Wer hat Ihnen eigentlich beigebracht, so zu landen?“ murmelte einer und warf Geraldine einen Blick zu, als hätte sie gerade ein halbes Kunstwerk ruiniert.

Elena lachte trocken. „Siehst du, Heldin. So was nennt man bleibenden Eindruck.“

Geraldine zog eine Augenbraue hoch, trank ihren Becher leer und schob ihn von sich. „Solange sie es wieder hinbekommen, ist mir der Ton egal.“

„Oh, sie bekommen es hin,“ bestätigte Elena. „Carrier-Crews sind zäher als jeder Ingenieur in der Bubble. Die fluchen nur gern. Hält sie am Leben.“

Für einen Moment war es fast so, als wären sie alte Bekannte, die sich immer wieder zufällig über den Weg liefen. Geraldine spürte, wie sie sich entspannte – nicht weil die Gefahr vorbei war, sondern weil jemand neben ihr saß, der die gleiche Sprache sprach: diese Mischung aus Zynismus und Ehrlichkeit, die nur draußen, jenseits der sicheren Stationen, überlebte.

„Weißt du,“ sagte Elena leiser, „ich dachte oft, man begegnet den gleichen Leuten nur einmal. Eine Funkverbindung, ein kurzer Spruch, und dann verschwindet man wieder im Rauschen. Dass wir uns hier wiedersehen… das ist selten.“

„Vielleicht ist es so etwas wie ein Versprechen,“ meinte Geraldine. „Dass man da draußen nicht völlig verschwindet.“

Sie trafen sich im Blick, und diesmal war da kein Lächeln, kein Scherz – nur ein stilles Einverständnis. Zwei Punkte im endlosen Dunkel, die sich kurz kreuzten.

Dann brach Elena den Moment. „Komm, noch einen Kaffee, bevor du wieder weiterziehst. Ich lad dich ein. Immerhin hast du mir damals auch den Arsch gerettet.“

Geraldine grinste schmal. „Dann lass uns das ausgleichen.“

Sagittarius A*

Als Geraldine den Carrier verließ, blieb Elena Solaris Silhouette als letzter fester Punkt zurück. Die Anaconda löste sich von den Magnetfeldern, und der Träger schrumpfte zu einem glimmenden Fleck, bis ihn das Sternenmeer verschluckte. Diese Etappe gehörte nur ihr.

Mit jedem Sprung wurde der Himmel dichter. Zunächst bemerkte sie es kaum, doch nach und nach fiel ihr auf, wie die Dunkelräume zwischen den Punkten schmaler wurden, als hätte sich jemand über die Galaxis gebeugt und das Licht näher zusammengerückt. Blaue Riesen flackerten wie Fackeln, Gasriesen trugen leuchtende Bänder, und das Milchstraßenband spannte sich breiter und heller, bis es nicht mehr Hintergrund war, sondern Wand.

Sie zählte die letzten Sprünge nicht mehr. Sie hatte es versucht, dann aufgegeben, als der Bordcomputer ohnehin alle Zahlen kannte und die Zeit sich in gleichmäßigen Vibrationen verlor. Vor dem letzten Einsatz des Frame-Shift-Antriebs legte sie die Hände still auf die Konsole und wartete, bis der eigene Atem ruhiger geworden war. Amanda. Kathleen. Nur die beiden Namen, ein Gedanke, der reichte.

Der Tunnel nahm sie, und als er sie freigab, entfaltete sich ein Bild, das größer war als alle Worte, die sie dafür kannte.

Sagittarius A*.

Das Band der Milchstraße brannte quer über den Himmel, gleißend, vielfarbig, so dicht, dass es die Nacht beiseiteschob. Und in der Mitte dieses Überflusses lag die Finsternis: keine Abwesenheit, kein Schatten, sondern eine Tiefe, in der das Licht selbst taumelte. Die Anzeigen warfen nüchterne Kurven und Warnungen auf die Scheibe, doch das, was sie sah, blieb jenseits der Zahlen. Ein Loch im Himmel. Ein Atemholen der Galaxis.

Geraldine blieb lange so sitzen, ohne etwas zu berühren. Erst als der Druck in der Brust einem ruhigeren Pochen gewichen war, öffnete sie den Funk. Sie wählte Amandas Kennung, ließ das Signal zweimal laufen. Beim dritten Ping nahm Amanda ab.

„Na, Commander,“ klang es trocken, fast beiläufig, „bist du da?“

Geraldine räusperte sich. „Ich bin da.“ Mehr brachte sie nicht heraus; die restlichen Worte blieben im Anblick stecken.

Am anderen Ende blieb es einen Herzschlag lang still. Dann sagte Amanda leiser: „Gut.“ Das Wort hing zwischen ihnen, schwerer, als es schien. „Ich wusste, dass du’s schaffst.“ Keiner von beiden füllte die Pause mit Erklärungen. Amanda atmete hörbar aus. „Schick mir ein Bild, wenn du kannst.“ Die Verbindung brach ab, ohne Verabschiedung; so war es zwischen ihnen immer gewesen. Keine Schnörkel. Wahrheit im Kleinen.

Geraldine blieb noch einen Moment, dann rief sie Kathleen. Der Kanal sprang sofort auf.

„Geraldine! Bist du— oh Gott, du bist es!“ Ihre Stimme überschlug sich fast. „Sag mir, dass du alles aufzeichnest. Das Spektrum, die Linsenartefakte, die Variationen im Hintergrund— das ist Geschichte! Ich wünschte, ich könnte—“ Sie stockte, fing sich und lachte heiser. „Natürlich kannst du nicht reden. Ich würde auch nur schauen.“

„Ich zeichne auf,“ sagte Geraldine und merkte, dass ein Lächeln ihre Stimme streifte. „Für dich. Für später.“

„Für uns,“ korrigierte Kathleen leise. „Pass auf dich auf.“

Die Leitung wurde still. Geraldine schloss den Funk und ließ die Hände im Schoß. Die Anaconda summte in einem Ton, den sie inzwischen als ihren Herzschlag kannte. Alles andere war Stille.

Erfüllung legte sich über sie wie ein warmer Mantel. Darunter lag Demut, so tief, dass sie die Schultern senkte, ohne es zu merken. Und darunter, wie eine Bodenplatte, die kein Ende kannte, lag die Leere: nicht feindselig, nicht tröstlich, nur vollkommen.

Sie löste erst die Kameradrohne aus, als das Zittern in ihren Fingern nachließ. Das Schiff arbeitete ruhig; die Sensoren sammelten, was sammelbar war, und doch wusste sie, dass das Wichtigste bereits geschehen war. Ich war hier, dachte sie, ohne Pathos, ohne Anspruch. Und ich bin kleiner, als ich je gewesen bin.

Sie blieb, bis das Licht in den Anzeigen sich veränderte, nicht weil Zeit vergangen war, sondern weil in ihr etwas zur Ruhe gekommen war. Dann speicherte sie die Aufnahmen, setzte einen Wegpunkt in die Karte – nicht, weil er sie je wieder herführen musste, sondern weil Zeichen manchmal genügen.

Als sie die Hände zurück auf die Steuer legte, fühlte sich die Anaconda nicht schwerer an und nicht leichter, nur wahrer. Das Herz der Galaxis lag hinter der Scheibe, die Reise lag wieder vor ihr. Und irgendwo, weit entfernt, warteten zwei Stimmen auf das, was sie mitgebracht hatte: nicht Daten, nicht Bilder, sondern die Stille, die zwischen ihnen allen passte.

Abschied von Colonia

Zwei Tage blieb Geraldine noch am Rand des galaktischen Zentrums. Sie ließ sich treiben, so, als wolle sie das Unbegreifliche auskosten. In der Stille ihrer Anaconda stand sie oft einfach nur am Glas der Panoramascheibe, während draußen das gleißende Band der Milchstraße pulsierte. Der schwarze Schlund von Sagittarius A* wirkte nah und doch unendlich fern. Sie war da – am Mittelpunkt der Galaxie – und doch fühlte es sich nicht wie ein Ziel an, sondern wie ein Spiegel. Ein Spiegel, der ihr die Leere zurückwarf, die sie in sich trug.

Dann kehrte sie um.

Der Rückflug zog sich über Wochen. Ein monotones Wechselspiel aus Sprüngen, Scans und Landungen. Sie sah fremde Planeten, scannte vergessene Monde, überquerte endlose Weiten – und doch war alles nur ein Nachhall dessen, was sie bereits gesehen hatte. Die Systeme rauschten vorbei wie Stationen eines Traums. Ab und an sprach sie mit Amanda oder Kathleen über Funk, kurze Fetzen, die mehr Nähe versprachen, als sie halten konnten. Der Rest war Schweigen.

Und dann, eines Tages, tauchte Colonia wieder im Sichtfeld auf. Die Lichter von Jaques Station glühten wie ein Fest in der Dunkelheit. Nach Monaten der Leere wirkten die rotierenden Strukturen überwältigend: Menschen, Stimmen, Bewegung. Geraldine spürte, wie ihre Kehle trocken wurde, als sie im Hangar aufsetzte.

Kathleen wartete schon. Sie stand ein Stück abseits, doch als Geraldine die Rampe hinabstieg, lief sie los – ungestüm, ohne zu zögern. Die Umarmung war fest, fast verzweifelt, und für einen Augenblick war es Kathleen, die nicht losließ.

„Du bist wirklich zurück,“ stieß sie hervor, als würde sie selbst noch nicht daran glauben. „Ich habe jeden Tag an dich gedacht. Sag mir, wie es war – alles! Die Sterne, die Welten, die Nächte da draußen…“

Sie redete schnell, fast atemlos, voller jugendlicher Begeisterung. Geraldine lächelte schwach, ließ sie reden, hörte nur zu. Sie wusste, dass keine Beschreibung die Bilder wirklich transportieren konnte, aber Kathleens Augen funkelten, als wäre sie selbst dabei gewesen.

Irgendwann stockte die Stimme des Mädchens. Sie sah Geraldine an, ernst, mit einer Ahnung in den Zügen. „Du fliegst wieder weg, oder?“

Geraldine schwieg kurz. Dann nickte sie. „Ja. Zurück in die Bubble. Ich muss dorthin… für mich ist es noch nicht vorbei.“

Kathleen biss sich auf die Lippe, doch die Tränen stiegen unaufhaltsam. „Ich weiß. Aber es fühlt sich an, als würdest du mich hier zurücklassen. Als würdest du… ein Stück von mir mitnehmen.“

Geraldine zog sie erneut in die Arme, dieses Mal sanfter, beschwichtigend. „Ich lasse dich nicht zurück. Was wir hatten – diese Wochen draußen – das bleibt. Du hast mir gezeigt, dass man auch mit offenen Augen staunen kann, selbst wenn man schon so viel gesehen hat. Das vergesse ich nicht.“

Kathleen schluchzte leise, wischte sich über die Wangen, dann griff sie in ihre Tasche. „Dann… nimm das.“ Es war ein kleiner Datenchip, durchsichtig, schimmernd – darauf ein Holo mit ein paar Skizzen und Aufnahmen, die Kathleen selbst angefertigt hatte: Pflanzen, Gesteine, Farben, die sie während der Expedition gesammelt hatte. „Damit du was von mir dabei hast.“

Geraldine nahm den Chip, hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger wie etwas Zerbrechliches. „Danke. Ich bring dir neue Sterne mit.“

Kathleen nickte, die Tränen noch immer in den Augen, aber nun begleitet von einem schwachen Lächeln.

Später, auf ihrem Carrier, saß Geraldine allein in der Kabine. Der Blick hinaus zeigte die vertrauten Sterne von Colonia, aber in ihrem Inneren zogen zwei Bilder umeinander: Amanda, irgendwo draußen, mit ihrem kontrollierten, provozierenden Blick – und Kathleen, hier, offen, verletzlich, voller Sehnsucht. Dazwischen lag Geraldines Weg, eine Linie voller Abzweigungen, voller Schatten.

Sie wusste nur eines sicher: Der nächste Abschnitt wartete schon. Und sie war noch nicht bereit, stehenzubleiben.

Kapitel 21