Kapitel 16 – Die Kunst, zu bleiben

Ingenieurtour mit Beifahrerin

Der Hangar des Carriers war erfüllt vom gedämpften Grollen der Reaktoren. Zwischen Kranarmen und Lademechs stand Amanda an einem Geländer, die Arme locker verschränkt, den Blick auf ihre Fer-de-Lance gerichtet. Der schlanke Jäger glänzte im Werkstattlicht – schnell, tödlich, und mit einer Sprungreichweite, die kaum ausreichte, um den Nebel einer Raumstation zu verlassen.

„Neun Lichtjahre,“ kommentierte sie trocken, ohne Geraldine anzusehen. „Wenn ich den Kaffee weglasse, vielleicht zehn.“

Geraldine, die gerade eine Checkliste abzeichnete, reagierte, ohne den Kopf zu heben. „Gut, dass es den Carrier gibt. Mit Getränkehaltern, geheiztem Deck und… mir.“

Ein kurzes, spitzes Lächeln blitzte über Amandas Gesicht. „Genau. Gesellschaft.“


Erstes Ziel: Jude Navarro
Der Carrier setzte sich schwerfällig in Bewegung. Stunden später trat Geraldine mit Amanda an ihrer Seite in Navarros Werkstatt – ein Gewirr aus Werkzeugwänden, halbfertigen Rüstungen und der beißende Geruch von Lösungsmitteln. Navarro, groß, breitschultrig und mit dem Blick eines Mannes, der schon zu viele Reparaturen retten musste, sah nur kurz auf.

„Pünktlich“, brummte er.

„Kommt vor“, erwiderte Amanda, leise spöttisch. „Sie wirken fast enttäuscht.“

Er schob wortlos ein Pad mit Haftungsausschlüssen herüber, während sein Blick auf Amandas Waffen fiel. „Wer hat das montiert?“

„Ich“, sagte sie.

„Dann entschuldigen Sie sich bei der Waffe.“

Geraldine hielt sich ein Grinsen zurück und lenkte das Gespräch auf die bestellten Modifikationen. Navarro prüfte Anzüge, Zieloptiken und Schilde, kommentierte knapp, veränderte Einstellungen, als wäre es eine Sache von Sekunden. Zum Schluss legte er den modifizierten Anzug vor Geraldine ab, als hätte er nichts getan.

„Was kriegen Sie dafür?“ fragte sie.

„Nur, dass Sie zwei nicht in meinem Einflussbereich in Stücke fliegen.“

Amanda zog eine Augenbraue hoch. „Rührend.“
„Raus“, knurrte Navarro – nicht ohne einen Anflug von Amüsement.


Zweites Ziel: Yi Shen
Der Flug dorthin verlief ruhiger. Vom Observation Deck aus sahen sie dem leisen Gleiten der Sterne zu.

„Wie lange wirst du weg sein?“ fragte Amanda.
„Weiß nicht. Wochen vielleicht.“
„Für dich wird es passen“, sagte sie, fast zu schnell. „Aber vergiss nicht, dass Nähe auch Vorteile hat.“

Geraldine warf ihr einen prüfenden Blick zu, sagte aber nichts.

Yi Shens Außenposten war das genaue Gegenteil von Navarros Reich – weiß, steril, präzise. Der Ingenieur trat aus einem Nebengang, verbeugte sich minimal. „Willkommen. Ihre Akte ist… interessant.“

„Nur die Hälfte war Absicht“, entgegnete Geraldine.

Shen prüfte Ausrüstung mit klinischer Genauigkeit. „Sie wünschen Batteriekapazität, Wärmeableitung, optimierte Zieloptik. Für Ihre Einsatzweise empfehle ich vorhersehbares statt lautloses Geräuschprofil.“

„Klingt nach einem Spruch für über der Werkbank“, meinte Amanda.

„In meiner Werkstatt“, korrigierte Shen knapp.

Als er Amandas Carbine inspizierte, sagte er: „Rückstoßmuster: minimal chaotisch.“
„Wie beleidigend ist das?“
„Präzise.“ Er kalibrierte neu. „Jetzt kontrolliert chaotisch.“
Amanda schnaubte, nahm die Waffe zurück.

Mit neu kalibrierter Ausrüstung verließen sie die sterile Werkstatt. Amanda lehnte sich im Carrier-Lounge-Bereich zurück, legte die Füße hoch. „Gut. Morgen sehen wir, wie du mit dem neuen Spielzeug klarkommst.“

Geraldine erwiderte den Blick, leicht herausfordernd. „Wird kurz.“
„Wird hässlich“, sagte Amanda.

Drei Einsätze, ein Atem

Am nächsten Tag. Der Carrier hing über einem staubgrauen Mond wie ein schweigender Kontinent. In der Einsatzbucht klickten Riegel, Helme schlossen, Statusanzeigen liefen warm. Geraldine prüfte das neue Overlay, das Yi Shen eingerichtet hatte; Amanda zog die Handschuhe fest und ließ den Helm auf dem Unterarm ruhen.

„Wenn das so gut funktioniert wie es aussieht,“ murmelte Amanda, „schulden wir ihm eine Obstschale.“

„Er isst wahrscheinlich nur kalibriertes Licht,“ gab Geraldine zurück.

Ein Funkklick, dann öffnete sich die Schleuse.


Ziel war eine verlassene Industrieanlage, in der sich eine Terrorzelle verschanzt hatte. Von oben sah die Anlage aus wie ein Haufen vergessenes Besteck: kantige Hallen, zwei Silos, eine Leitstelle. Landung im Staub, der SRV blieb im Bauch des Schiffes; hier ging es zu Fuß.

Schon beim Anmarsch wirkte die Stille falsch. Keine Generatoren, keine Drohnen, nur Wind, der Leitern klappern ließ. Amanda markierte einen Seiteneingang; Geraldine legte die Zieloptik auf die Türscharniere. Zwei kurze Impulse, dann waren sie drin.

Im Innern lag Metallgeruch in der Luft. Geraldine gab flach Handzeichen, Amanda spiegelte jede Bewegung – routiniert, fast elegant. Das neue Geräuschprofil machte die Schritte berechenbar statt lautlos; man hörte, wie viel Platz der nächste Gang gab, spürte das Echo, bevor es kam. In der Leitstelle: zwei Männer am Funk, ein Dritter an einer improvisierten Ladung. Amanda war zuerst dran – drei Schüsse, drei Treffer, eine Hand landete leise auf dem Tisch. Kein Alarm.

Dann riss es die Situation auf. Hinter einem Container kreischte ein Turm in seine Halterung, eine alte Automatik erwachte. Das Projektil schnitt so knapp an Geraldines Schulter vorbei, dass das Schildmessgerät von Grün direkt in Gelb fiel und die Anzeige einen unhöflichen Ton spielte. Amanda packte sie am Kragen, riss sie hinter die Konsole. Der Turm hämmerte weiter; Metall spritzte, Funken stoben.

„Lenk ihn,“ zischte Amanda.

Geraldine schob eine leere Kiste ins freie Feld, der Turm schwenkte, folgte, spie weiter. In dem halben Atemzug, den das Ding zum Nachführen brauchte, rollte Amanda ab, kam unter den Lauf und löste eine kurze Salve in die Gelenke. Das Rattern verstummte, als hätte jemand die Luft aus der Halle gelassen.

Stille. Dann der zweite, größere Fehler: Die improvisierte Ladung an der Leitstelle war nicht nur Deko. Ein Timer leuchtete rot. Geraldine kniete, Amanda deckte. Kabel, die falsch aussahen, weil sie richtig verlegt waren. Ein Griff, ein kurzer Moment der Entscheidung. Dann ein Schnitt, der Bildschirm ging dunkel. Es blieb still.

„Das war knapp,“ sagte Amanda, erst jetzt hörbar atmen.

„Neue Regel,“ antwortete Geraldine, die Hand am zerkratzten Helmvisier. „Keine Helden direkt neben einem Turm.“

„Regel zwei: keine Timer ohne Kaffee.“ Amanda deutete mit dem Kinn auf die Anzeige. „Wir passen dein Schild-Setup an. Das eben hat mir nicht gefallen.“

Draußen, im Staub, lag das Silo wie ein missmutiger, stiller Riese. Der Funktrupp der Systembehörde nahm den Standort. Als die beiden zum Schiff zurückliefen, hielt Geraldine einen Moment inne, sah auf die leichte Delle am Helm und sagte nichts. Amanda sah es, sagte ebenfalls nichts – nur die Hand, die beim Einsteigen kurz den Rücken berührte, war Antwort genug.


Der Notruf kam während des Debriefings: Absturz auf einem Eislinsen‑Planeten, schwaches Beacon, vermutlich Frachter. Auftrag: Blackbox sichern, alle Daten mitnehmen. Diesmal ging der SRV Scarab mit runter.

Die Crash‑Site lag in einer Senke, die Seiten des Rumpfs waren aufgerissen wie Papier. Schnee wehte durch offene Frames, Displays glommen in stumpfem Blau. Geraldine setzte den SRV neben dem Cockpitkiel ab, Amanda sprang schon, bevor der Staub lag.

„Du die Blackbox, ich die Datenbusse,“ rief Amanda und verschwand im Schatten des Rumpfs.

Geraldine klappte den Datenlink‑Scanner aus. Das neue Overlay arbeitete sauber; Heat‑Signaturen der Trümmer, Funkreflexe, eine Linie zum Blackbox‑Slot. Zwei Klemmen, eine Schraube, ein misstrauisches Knacken – die Box löste sich mit einem beleidigten Piepen.

„Bewegung,“ meldete Amanda trocken. „Links oben, Gratlinie.“

Piraten. Zwei leichte Buggys, eine lächerlich selbstbewusste Flagge am Antennenmast. Geraldine warf die Blackbox in den SRV, stieg und ließ den Turm in den Gimbal‑Modus kippen. Amanda rutschte über den Rumpf, landete im Staub, Gemisch aus Schritt und Sprung, das Nähe und Tempo gleichzeitig baute.

„Nimm den mit der Fahne,“ sagte sie.

„Ist der Chef?“ – „Nein. Aber er hat um Aufmerksamkeit gebeten.“

Der erste Buggy raste frontal, zu direkt. Geraldine hielt die Turmmarke an der Haube, löste kurze Feuerstöße; der Buggy zuckte, wackelte, kippte. Der zweite zog einen Halbkreis, suchte seitliche Deckung hinter der Gratkante. Amanda nahm die Spur, die Carbine auf Hüfthöhe, ein perfekter Winkel hinter den aufgebauten Schrott. Ein kurzer Feuerwechsel, dann dieser Moment, wenn der Gegner merkt, dass er den falschen Tag gewählt hat – und umdreht.

„Nicht abhauen,“ sagte Amanda, fast bedauernd, und ließ die letzten Schüsse sauber in die Antriebsaufhängung. Der Buggy blieb, wo er war. Schnee legte sich wie ein Tuch.

Geraldine verband die Datenleitungen des Rumpfs mit dem SRV‑Port. Ein Strom aus Telemetrie setzte ein: Sprungvektor, Kursabweichung, letzter Crew‑Ping. Amanda stand Wache, die Waffe locker an der Schulter, die Augen in Bewegung. Als der Upload durch war, zeigte das SRV‑Display „Transfer Complete“ und ein nett gemeintes akustisches „bing“.

„Wir sollten öfter abstürzen,“ sagte Amanda.

„Wir sollten gar nicht abstürzen,“ korrigierte Geraldine, schob das Fahrzeug in den Anfahrmodus und zog einen ruhigen Bogen aus der Senke.

„Dann eben andere.“

Die Senke lag wieder still, als hätten Reifen niemals Spuren hinterlassen.


Der dritte Auftrag kam mit wenigen Worten: Außenposten evakuiert. Energieversorgung tot. Regulator einsetzen. Aufräumteam folgt. Materialrechte abtreten gegen Entgelt. – Genau dieser nüchterne Ton ließ die Luft kühler werden.

Die Station stand in einer flachen Ebene, schwarze Fenster, ausgekühlte Module, die in der Dämmerung wie eingefrorene Atemzüge wirkten. Der Anflug war ereignislos; das Aussteigen nicht. Im Innern war es kalt genug, dass die Displays ab und zu flackerten, wenn ein Reststrom eine LED verirrte.

„Energiezentrum zuerst,“ sagte Geraldine. „Dann Leitstelle, dann Habitat.“

Amanda nickte. Keine Witze jetzt. Das Echo trug jedes Wort zu lang.

Der Power‑Regulator hatte das Gewicht einer Entscheidung. In der Energiezentrale klemmte die Aufnahme – alte Schrauben, kalte Finger, Werkzeuge, die auf Metall kürzer klangen als sonst. Dann saß der Regulator im Slot, eine Sicherung, der Hauptschalter.

Licht kam nicht wie Tag, sondern wie Erinnerung. Erst glommen Linien, dann Panels, dann summten die Gänge leise, als hätten sie eben bemerkt, dass sie noch atmen konnten. Ein Alarm blinkte stumm – System im Wartungsmodus – und in der Leitstelle sprang ein Terminal an, das jemand in Eile und Angst verlassen hatte. Ein Becher lag daneben, der Kaffee darin war zu einem stillen Spiegel geworden.

„Ich hasse es, wenn es nach Menschen riecht und keine mehr da sind,“ sagte Amanda leise.

„Wir werden hier nicht lange bleiben,“ antwortete Geraldine. „Routine: Gebäude für Gebäude, alles Brauchbare mitnehmen. Der Rest wartet auf das Team.“

Also gingen sie. Werkstatt, Lager, Habitat, Kantine. In der Werkstatt: ein Schubladenwagen mit fein sortierten Komponenten, der in der Evakuierung nicht mehr in die Kiste passte. Im Lager: Chemikalien, die nie wieder gemischt würden. In der Kantine: Tabletts, die jemand übereilt abgestellt hatte, ein Stück Brot, das zu Staub geworden war. Im Habitat: drei Betten, ordentlich, eins ungemacht. Eine Jacke auf dem Stuhl. Eine Lampe mit einem Riss im Schirm. Keine Bewegung, nirgends – nur die Stille, die von jetzt an dachte.

Sie nahmen, was auf der Liste stand. Leiterplatten, Leiter, Gehäuse, Leitungsbündel, Werkzeugsätze. Jeder Griff war Pflicht, jeder Fund ein winziger, sachlicher Gewinn. Es gab Leichen – nicht viele. Genug, dass Worte fehl am Platz waren. Amanda blieb stehen, einmal, kurz, sah hin, sah weg, aktivierte eine Markierung im Stationssystem: Fundort protokolliert. Geraldine tat es ihr gleich beim nächsten. Kein Kommentar. Respekt braucht keinen Ton.

Zurück in der Leitstelle setzten sie den Rücksende‑Ping: der Aufräumtrupp würde den Kurs bekommen, die Protokolle, die Markierungen. Draußen wurde es noch dunkler, als habe der Himmel beschlossen, das Licht drinnen auszugleichen.

Am Ausgang hielt Amanda inne. „Du hörst das?“

„Nur das Summen.“

„Genau. Früher war das heimelig. Heute klingt es wie… wie ein Raum, der so tut, als wäre er noch bewohnt.“

Geraldine nickte. „Wir waren hier. Das reicht dem Raum für heute.“

Sie verließen die Station, ließen das Licht an – Geister finden im Hellen leichter zueinander. Der Carrier nahm sie wieder auf, als hätten Fußböden Gedächtnis.


Später. Lounge‑Deck. Schweiß aus dem Kragen, Waffen geölt, Regulator‑Quittung im Log. Amanda saß auf der Lehne, nicht auf dem Sitz, die Stiefel auf der Kante, das Haar im Nacken feucht.

„Fazit?“ fragte sie.

„Die Kampfmod braucht andere Schildverstärker. Und das HUD braucht eine eigene Marker‑Farbe für improvisierte Ladungen. Ich will Timer schon aus zehn Metern hassen.“

„Der SRV fährt wie ein Traum, wenn man ihn driften lässt,“ sagte Amanda, als sei das die natürlichste Antwort. Dann, nach einem Atemzug, ohne Ironie: „Das heute in der Station… war gut. Still, aber gut.“

„Still ist manchmal das Einzige, was man aushält.“

Sie sah rüber, länger als nötig, wie schon so oft in den letzten Tagen. „Nutz deine Zeit in Colonia. Ich nutze sie hier. Und dann sehen wir, was übrig bleibt.“

„Uns,“ sagte Geraldine.

„Uns,“ bestätigte Amanda. Eine Hand klopfte zweimal auf den Sofarand – das leiseste Startsignal der Welt.

Draußen zogen Sterne vorbei, langsam genug, dass man glauben konnte, sie wollten bleiben. Drinnen spannte sich die Luft zurück in Normalbetrieb. Drei Einsätze, ein Atem. Morgen würden es andere sein. Heute reichte das.

Admiral-Tag

Der Morgen begann mit Papierkrieg in digitaler Form.
Die Empfangshalle des Föderationsbüros in Vega roch nach Reinigungsmittel und abgestandenem Kaffee. Über den blank polierten Boden hallten Schritte, die von den Stimmen der Wartenden begleitet wurden – das tiefe Brummen eines Frachterpiloten, das nervöse Klacken einer Prospektorin, die offenbar seit Stunden hier war.

Amanda saß seitlich versetzt zu Geraldine, die auf der Bank den Formscanner ausfüllte.
„Du unterschreibst gerade, dass du jetzt offiziell ganz oben bist,“ bemerkte Amanda trocken.
„Ich unterschreibe, dass sich ein paar Monate voller Konvois, Patrouillen und diesem kleinen Krieg gegen das Syndikat gelohnt haben.“
„Romantik ist tot.“ Amanda ließ den Blick über die Halle schweifen, registrierte die beiden Marines an der Tür und schickte ihnen ein kaum merkliches Nicken, das nicht erwidert wurde.

Nach der offiziellen Übergabe der Admiral-Insignien – ein Handschlag, ein standardisierter Glückwunschtext – stand Bill Turner auf der Liste. Der Ingenieur empfing auf einer Werft, die nach Hydrauliköl roch und aussah, als könnte sie in einem Sturm kollabieren und doch weiterarbeiten.
Turner, ein Mann mit der Ausstrahlung eines alten Frachters – kantig, verbeult, aber nicht zu unterschätzen – reichte Geraldine die Hand. „Admiral, hm? Dann ist es jetzt offiziell.“
„Nur auf dem Papier.“
„Papier ist, was die Waffen liefert,“ meinte Turner und warf Amanda einen Blick zu. „Und Sie sind…?“
„Die, die die Waffen benutzt, wenn Geraldine sich ziert.“
Er lachte, als hätte er das schon öfter gehört, und wies ihnen einen Platz in der Werkstatt zu.

Colonel Bris Dekker kam als Nächstes – kleiner Posten, aber strategisch günstig. Der Colonel war ein Mann mit der Geduld eines Uhrwerks und der Mimik einer Betonwand. Er hörte sich Geraldines Anliegen an, nickte gelegentlich und sagte schließlich: „Freigabe erteilt. Die Details finden Sie im Paket. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe eine Staffel zu koordinieren.“
Amanda kommentierte leise, als sie draußen waren: „Charmant wie ein Steuerbescheid.“
Geraldine grinste. „Effizient wie ein Steuerbescheid.“


Der Termin mit Terra Velasquez war das Gegenteil. Ihr Labor war halb Gewächshaus, halb Werkstatt, erfüllt vom Duft exotischer Pflanzen und dem metallischen Summen von Drohnen.
„Admiral Geraldine,“ sagte sie mit einem Lächeln, das in jede Verhandlung passte. „Ich habe schon von Ihren Bodenoperationen gehört.“
„Nur Gutes, hoffe ich.“
„Nur Nützliches.“ Sie bot Tee an, den Amanda skeptisch beäugte, als handle es sich um einen neuen Typ Kühlmittel.
Gespräche über Prototypen, Lieferwege und ein paar gezielte Fragen zu Geraldines Einsatzmustern folgten, bis Velasquez den Zugang zu ihren Diensten freischaltete. Velasquez tippte ein paar Werte ins Terminal und blickte kurz auf. „Sie planen also, Ihr Einsatzmuster zu verändern?“
„Ja,“ sagte Geraldine, „ich breche bald nach Colonia auf. Will vorher noch ein paar Systeme aufrüsten.“
Ein Lächeln, das in jede Verhandlung passte. „Colonia ist weit – passen Sie auf sich auf.“


Die Dockside Lounge auf dem Carrier war an diesem Abend fast leer. Nur das tiefe Brummen der Generatoren und das leise Klirren von Gläsern füllten den Raum.
Geraldine und Amanda saßen an einem Tisch am Rand, zwei Gläser mit bernsteinfarbenem Inhalt vor sich.
„Also, Admiral,“ begann Amanda, „wie fühlt sich das an? Mehr Rang, mehr Zugänge, mehr Verantwortung?“
„Ehrlich? Wie ein guter Vorwand für einen Drink.“ Geraldine hob ihr Glas. „Auf Beförderungen, die nur der Anfang sind.“
Amanda stieß an, ihr Blick blieb einen Moment länger an Geraldine hängen. „Auf Anfänge, die besser sind als das, was danach kommt.“

Sie tranken, sprachen noch über den Tag, über Turner und seine trockenen Sprüche, über Velasquez’ Gewächshauslabor. Die Sätze wurden kürzer, die Pausen länger.
Amanda lehnte sich zurück, ließ den Blick über Geraldines Gesicht gleiten. „Du weißt, dass du das hier nicht allein machst, oder?“
Geraldine antwortete nicht sofort. Sie sah Amanda an, und zwischen den beiden spannte sich diese leise, unausgesprochene Linie, die sie beide kannten.

Schließlich stand Amanda auf, nahm ihr Glas, umrundete den Tisch und blieb neben Geraldine stehen. „Komm.“
Es war kein Befehl, kein Vorschlag – eher ein Faden, an dem man nicht zieht, sondern folgt.

Die Tür zu Geraldines Quartier schloss sich leise hinter ihnen. Was dort geschah, blieb zwischen zwei Menschen, die wussten, dass Anfänge selten lange warten.

Die Kunst, zu bleiben

Der Morgen begann langsamer, als es Geraldine lieb war. Die Luft im Quartier roch noch nach recyceltem Wein und diesem leichten Metallton, der in einem Carrier nie ganz verschwand. Das Licht der Holo-Paneele war gedimmt, nur die Projektionslinie der Systemkarte glomm über der Konsole. Amanda saß am kleinen Tisch, Tasse in der Hand, den Blick nach draußen auf den Sternenfluss gerichtet. Keine Musik, kein Kommentar zum gestrigen Abend – nur das Summen der Systeme und das gelegentliche Klacken der Triebwerkskompensatoren.

„Noch müde?“ fragte Geraldine, während sie die Jacke schloss und den Einsatzgurt einrastete.
„Noch wach,“ erwiderte Amanda, ohne den Blick von den Sternen zu nehmen. Dann, nach einem Schluck: „Hera Tani wartet nicht gern.“
„Dann sollten wir ihr einen Grund geben, uns trotzdem zu mögen.“
„Hm.“ Amanda drehte die Tasse leicht zwischen den Fingern. „Die mag Leute nur, wenn sie was bringen. Oder wenn sie interessant sind.“
Geraldine zog eine Augenbraue hoch. „Und?“
„Du bist beides.“ Der Blick blieb auf den Sternen.

Der Anflug auf Tani war ebenso schön wie beunruhigend. Ihr Domizil – eine Station, die wie ein Juwel an der Flanke eines kleinen Gasriesen hing – funkelte in tiefem Rotgold. Im Dock standen Schiffe, deren Linien und Bewaffnung keine Zweifel daran ließen, dass hier nicht das Galaktische Rote Kreuz residierte. Schlanke, schwarz polierte Jäger, Frachter mit schweren Türmen – die Art Publikum, das man lieber auf der eigenen Seite wusste.

Hera Tani empfing sie nicht in einem Büro, sondern in einer Art Salon. Weiches Licht, eine geschwungene Couch, ein Tisch mit filigranen Kartenlesern. Sie trug ein Kleid aus schimmerndem Stoff, der bei jeder Bewegung andersfarbig aufflackerte. Ihre Augen hatten dieses kalkulierende Funkeln, das gleichzeitig einlud und warnte.
„Admiral Geraldine,“ sagte sie mit einem Lächeln, das gefährlich nah an „Ich weiß genau, was Sie wollen“ war. „Und Amanda.“
„Nur Amanda,“ korrigierte diese, die Hände locker in den Taschen.
„Natürlich.“ Tani deutete ihnen Plätze an, setzte sich selbst so, dass das Licht ihre Konturen betonte, während ihre Hände beiläufig mit einem Datenpad spielten.

Das Gespräch begann geschäftlich – Modifikationen für Bodenoperationen, Leistungsgrenzen, Materialverfügbarkeit. Tani hörte zu, stellte Fragen, deren Antworten sie vermutlich schon kannte.
„Sie haben eine beeindruckende Liste an Einsätzen,“ sagte sie irgendwann zu Geraldine. „Und doch planen Sie, all das hinter sich zu lassen… wegen Colonia?“
„Ich lasse nichts hinter mir. Ich erweitere den Horizont.“
Ein kaum merkliches Nicken, als erkenne Tani eine Form von Ehrgeiz, die sie respektierte. „Erweitern kann man vieles. Manche verlieren dabei den Boden.“
„Ich habe Amanda,“ erwiderte Geraldine.
„Praktisch,“ sagte Tani, und zum ersten Mal wirkte ihr Lächeln fast echt.

Nach einer Stunde war alles verhandelt – Modifikationen genehmigt, Lieferfristen gesetzt, ein paar technische Geheimnisse ausgetauscht. Beim Abschied legte Tani Geraldine kurz die Hand auf die Schulter. „Passen Sie auf, wem Sie in Colonia vertrauen.“
„Das tue ich überall,“ antwortete Geraldine.

Auf dem Rückweg zum Carrier war es eine Weile still. Amanda löste die Stille schließlich. „Sie mag dich.“
„Oder sie mag, was ich ihr bringe.“
„Beides kann stimmen.“ Sie sah Geraldine an, jetzt ohne dieses dünne Lächeln, das sie sonst oft trug. „Ich mag, dass du weißt, wann du gehst – und wann du bleibst.“
Geraldine erwiderte den Blick. „Und?“
„Und ich hoffe, dass du bleibst, bevor du gehst.“

Kapitel 17