Kapitel 31 – Kristalle im Staub

Die neue Python

Der Kauf war weniger ein Geschäft als ein Bekenntnis. Amanda stand mit verschränkten Armen vor dem massigen Rumpf der Python, während Geraldine neben ihr einen Tonfall zwischen Stolz und Spott anschlug.

„Also gut,“ sagte Geraldine, „du wolltest was Eigenes. Da ist sie. Vierzig Meter Stahl, hungrig wie eine Horde Wölfe. Bereit, dir jede freie Stunde zu fressen.“

Amanda grinste, ohne den Blick vom Schiff zu nehmen. „Genau deshalb will ich sie. Ich habe genug davon, im Beiwagen zu sitzen.“

„Du hättest auch meine nehmen können,“ warf Geraldine trocken ein.

„Nein.“ Amanda schüttelte den Kopf, ihre Augen glänzten. „Die hier wird meins. Ich will jeden Schalter kennen, jeden Fehler selbst machen. Wenn ich wieder ins All gehe, dann mit einem Schiff, das nach mir riecht.“

Geraldine hob die Hände. „Wie du willst. Aber beschwer dich nicht, wenn dir das halbe Einkommen in die Thruster fließt.“

„Thruster kann man nicht kaufen,“ erwiderte Amanda spitz. „Nur respektieren.“

Eine halbe Stunde später war der Vertrag durch, und die Python trug zum ersten Mal Amandas Rufzeichen.

Die folgenden Tage waren ein einziger Marathon. Mit der Citadel im Rücken klapperten sie Ingenieur um Ingenieur ab – eine Woche voller Sprünge, Dockings, Anpassungen, Testflügen und hitzigen Diskussionen.

„Schildgenerator oder mehr Schildzellen?“ fragte Amanda, als Felicity Farseer ihre neuesten Module präsentierte.

„Kommt drauf an,“ murmelte Geraldine. „Willst du überleben oder glänzen?“

Amanda lehnte sich auf die Werkbank. „Ich will beides. Und zwar lange.“

Bei Selene Jean diskutierten sie über Verstärkungen. Bei Tod „The Blaster“ McQuinn darüber, ob die Python wirklich eine Kanone an jedem Hardpoint brauchte. Amanda wollte es, Geraldine verdrehte die Augen, ließ sie aber machen.

Die Woche flog dahin. Jeder Ingenieur hinterließ seine Spur im Schiff, und Amanda sog alles auf. Wo Geraldine meist pragmatisch blieb – „So viel Panzerung wie nötig, so wenig Gewicht wie möglich“ – stellte Amanda Fragen, forderte Details, wollte verstehen.

„Du bist schlimmer als Kathleen,“ bemerkte Geraldine am fünften Tag.

„Wieso?“

„Weil sie nur Theorie wollte. Du willst Theorie und Praxis gleichzeitig.“

Amanda grinste, ein spitzes Funkeln im Blick. „Genau deshalb wird das hier das beste Schiff, das ich je geflogen bin.“

Am Ende der Woche stand die Python glänzend im Hangar, frisch lackiert, die Systeme summten wie ein Herz, das gerade zum Leben erweckt worden war. Amanda legte die Hand auf die Hülle, schloss kurz die Augen.

„Jetzt beginnt’s,“ sagte sie leise.

Geraldine nickte. „Dann zeig mir, dass du sie verdienst.“

Das erste Ziel war ein Abbaugebiet am Rand der Bubble, eine Staubwolke aus Asteroiden und Laserblitzen, in der sich Schürfer und Glücksritter tummelten. Geraldine brachte Caitlyn, ihre kampfbereite Corvette, in Position. Daneben schob sich die neue Python in den Gürtel, noch ohne Kratzer, aber mit einer Haltung, die Amanda beinahe stolz wirken ließ.

„Na?“ fragte Geraldine über Com. „Bereit für den ersten Tanz?“

„Tanz?“ Amanda grinste, die Stimme voller Strom. „Das hier wird ein Schlagabtausch.“

Die ersten Minuten verliefen zäh. Ein Piratenscanner nach dem anderen ploppte auf den Displays auf. Amanda reagierte schneller, als ihr Körper es nach der Verletzung eigentlich zuließ, doch die Präzision fehlte noch. Zwei Mal musste Geraldine eingreifen, Caitlyns Laser brannten ein Loch in die Schilde der Angreifer, während die Python sich noch sortierte.

„Nicht zu früh,“ mahnte Geraldine. „Lass sie zu dir kommen.“

„Ich lass niemanden zu mir kommen,“ knurrte Amanda und zog die Python scharf um einen Brocken. Doch diesmal traf sie, sauber und hart, und der erste Pirat brach auseinander.

Danach ging es leichter. Jede Begegnung machte Amanda flüssiger, jede Wende genauer, jeder Schuss härter. Die Python brüllte, ihre Geschütze sangen, und Amanda lachte – ein Lachen, das Geraldine schon Wochen nicht mehr gehört hatte.

„Da ist sie wieder,“ murmelte Geraldine für sich, während Caitlyn einen schwereren Gegner bändigte. „Die Amanda, die alles vergisst, wenn sie fliegt.“

Nach Stunden kehrten sie zurück, die Frachträume der Gegner geplündert, die Systeme ausgebrannt, die Schilde noch warm vom Gefecht. Caitlyn und die Python schwebten Seite an Seite in den Hangar der Citadel, als hätten sie nie etwas anderes getan.

Später, in der Lounge, saßen sie gegenüber, jeder mit einem Glas in der Hand. Amanda hob ihres leicht an. „Auf die Python.“

Geraldine stieß an. „Auf deine alte Stärke.“

Amanda nickte, ihre Augen glitzerten, doch da war mehr. „Und auf uns. Auf das, was wir zusammenhalten, auch wenn es fast auseinanderfällt.“

Geraldine sah sie lange an, dann lächelte sie – nicht sarkastisch, nicht ironisch, sondern still und ehrlich. „Auf uns.“

Sie tranken, und in diesem Moment gab es weder Piraten noch Stationen, weder Verletzungen noch Zweifel. Nur zwei Frauen, ein Glas, und das Wissen, dass ihre Verbindung stärker war als alles, was draußen lauerte.

Materialnot

Die Werkhalle der Citadel roch nach heißem Metall und Schmieröl. Schweißerfunken sprühten in einer der Boxen, wo ein Techniker gerade an Amandas Python arbeitete, die noch immer neu wirkte und doch schon ihre ersten Narben trug. Geraldine ging langsam an den Reihen vorbei, den Blick über offene Servicepanels und halb leere Container schweifend.

„Wie viel Vanadium haben wir noch?“ fragte sie über die Schulter.

Eine Stimme aus der Ecke: „Knapp drei Kilo, Commander.“

Geraldine nickte, verzog aber die Lippen. Drei Kilo reichten nicht einmal für eine halbe Modifikation am Verteiler. In einem anderen Container lagen noch ein paar Reste an Osmium, aber auch das war mehr symbolisch als nützlich.

Sie blieb vor einer Übersichtstafel stehen. Zahlen, Balken, Verbrauchsprotokolle. Jede Linie erzählte dieselbe Geschichte: zu viele Umbauten in zu kurzer Zeit. Die Corvette, die Cutter, jetzt Amandas Python – jede Schraube hatte Material geschluckt, das sich nicht von selbst nachfüllte.

Geraldine verschränkte die Arme. „So geht das nicht weiter,“ murmelte sie.

Ein Techniker sah kurz auf, wollte etwas sagen, entschied sich aber dagegen, als er ihren Gesichtsausdruck sah.

Sie trat näher an die Tafel, fuhr mit den Fingern über die Zahlen. Kupfer, niedrig. Wolfram, fast leer. Germanium, null. Ihr Magen zog sich zusammen. Wenn sie nicht bald nachlegte, würde selbst die einfachste Optimierung zur Geduldsprobe.

Geraldine atmete durch, spürte das Summen des Carriers im Boden. Ein Schiff wie die Citadel konnte fast alles tragen – aber nicht aus dem Nichts erschaffen. Es war Zeit, sich zu kümmern.

Geraldine war noch in Gedanken über den knappen Vorräten, als Schritte hinter ihr laut wurden. Amanda kam herein, eine Jacke locker über die Schulter geworfen, die Miene selbstzufrieden – der Ausdruck einer Pilotin, die endlich wieder Blut geleckt hatte.

„Du siehst aus, als würdest du gleich eine Inventarliste erwürgen,“ sagte Amanda und blieb neben ihr stehen.

„Inventar erwürge ich nicht,“ erwiderte Geraldine trocken. „Aber wenn wir noch eine Modifikation anpacken, ohne Nachschub zu besorgen, fliegt uns der Laden um die Ohren.“

Amanda grinste. „Na dann, willkommen im echten Leben. Meine Python ist satt, Caitlyn auch. Wozu brauchen wir mehr?“

„Weil die nächste Baustelle kommt, bevor du den letzten Kratzer gefeiert hast,“ sagte Geraldine und tippte mit dem Finger auf die fast leeren Balken der Anzeige. „Und dann stehen wir mit leeren Händen da.“

Amanda verschränkte die Arme, spöttisches Funkeln in den Augen. „Also willst du losziehen und Steine klopfen? Passt ja gar nicht zu dir.“

„Nenn’s, wie du willst,“ antwortete Geraldine knapp. „Aber jemand muss dafür sorgen, dass wir Material haben. Sonst war’s das mit all deinen schönen Upgrades.“

Amanda lachte leise. „Du bist die Einzige, die es schafft, Materialmangel wie eine strategische Krise klingen zu lassen.“

„Weil es eine ist,“ entgegnete Geraldine.

Die beiden sahen sich einen Moment an, Amanda noch immer mit diesem spöttischen Lächeln, Geraldine unbeirrt ernst. Schließlich hob Amanda abwehrend die Hände. „Na schön. Du hast recht. Aber du weißt auch: ich werde dich auslachen, wenn ich dich mit einem Scanner durch die Gegend rennen sehe.“

„Das wirst du nicht,“ sagte Geraldine und ließ die Arme sinken. „Du wirst mich begleiten.“

Amanda lachte laut auf. „Dann gehen wir beide Steine klopfen. Darauf freu ich mich jetzt schon.“

Der Kartentisch der Citadel war übersät mit Sprungmarkern. System für System klickte Geraldine an, verschob Symbole, überprüfte Verbrauch. Ein schmaler Korridor durch die Bubble, hinaus zu jenen abgelegenen Koordinaten, die ihr vor Monaten zugespielt worden waren. Kristallfelder, voll mit dem, was sie jetzt dringend brauchte.

Amanda stand neben ihr, die Hände in den Hosentaschen, und beobachtete das Display. „Sieht aus, als würdest du eine Expedition ins Herz der Finsternis planen.“

„Wenn du so willst,“ murmelte Geraldine. „Nur dass am Ende kein Geheimnis wartet, sondern Rohstoffe. Und ohne die bleiben wir hier bald stehen.“

Amanda schnaubte leise. „Du klingst, als ginge es ums Überleben. Dabei willst du nur neue Panzerplatten für Caitlyn.“

Geraldine warf ihr einen Blick zu. „Nicht nur für Caitlyn. Auch für deine Python. Oder hast du vergessen, wie viel wir bei den Ingenieuren durchgejagt haben?“

Amanda grinste, hob abwehrend die Hände. „Ich erinnere mich. Ich habe die Quittungen immer noch im Kopf.“

Ein paar Sekunden lang herrschte nur das Summen des Projektors. Geraldine setzte die nächste Markierung, das Zielsystem erschien in grellem Blau. Sie lehnte sich zurück. „Drei Sprünge mit dem Carrier. Danach ein Stück weiter mit dem Shuttle. Kein Problem.“

„Kein Problem,“ wiederholte Amanda spöttisch. „Außer dass du dir freiwillig Staub und Gestein suchst.“

„Jemand muss es tun,“ entgegnete Geraldine. „Oder willst du die nächste Aufrüstung aus Schrott zusammenschweißen?“

Amanda lachte leise. „Ich sehe dich schon mit Hammer und Amboss in der Werft. Vielleicht steht dir das sogar.“

Geraldine ignorierte den Kommentar, tippte den letzten Marker an – Route bestätigt. „Fertig. Wir starten morgen.“

In diesem Moment knackte das Com. Eine Stimme, hell, vertraut: „Geraldine?“

Beide sahen zum Projektor. Kathleen erschien, das Gesicht vom Licht der Verbindung umspielt. Ein Lächeln, das sofort Leben in den Raum brachte. „Ich wollte nur kurz sagen: Ich habe nächste Woche frei. Eine ganze Woche. Ohne Verpflichtungen. Ohne Vorlesungen. Ich dachte… vielleicht nutzen wir das?“

Geraldine blinzelte. „Eine Woche?“

„Ja.“ Kathleen nickte, die Augen voller Erwartung. „Ich habe genug von Theorien und Modellen. Ich will wieder hinaus. Mit dir.“

Einen Moment lang sagte niemand etwas. Dann schaltete Geraldine den Projektor zurück auf die Route. Die Linie, die eben noch klar leuchtete, wirkte plötzlich fragil.

„Ich wollte morgen starten,“ sagte sie langsam. „Aber dann warte ich. Wir fliegen zusammen.“

Kathleen strahlte. „Das klingt nach einem Plan.“

Das Signal brach ab, und die Dunkelheit kehrte in den Raum zurück. Amanda verschränkte die Arme, sah Geraldine lange an.

„Also verschoben,“ sagte sie schließlich.

„Verschoben,“ bestätigte Geraldine.

„Dann bin ich raus.“ Amanda klang weder gekränkt noch enttäuscht, eher nüchtern. „Ich hab Missionen, die warten nicht. Wenn du erst in einer Woche fliegst, passt das nicht mehr.“

Geraldine nickte. „Schon klar.“

Amanda grinste schief, klopfte ihr auf die Schulter. „Na dann. Viel Spaß mit der Forscherin. Und bring sie heil zurück – sonst muss ich dir das Leben schwer machen.“

Geraldine verzog die Lippen zu einem kaum sichtbaren Lächeln. „Versprochen.“

Reise zu den Kristallen

Die Station hing wie ein graues Monstrum über dem Planeten, Docks offen, Schiffe im Anflug. Geraldine manövrierte die Cutter präzise in den Korridor, spürte das vertraute Vibrieren unter den Händen.

Am Dock wartete Kathleen bereits – eine Tasche über der Schulter, die Brille in die Haare geschoben, ein ungeduldiges Funkeln in den Augen. Als die Schleuse sich öffnete, trat sie hinein und breitete die Arme aus.

„Zwei Wochen Papierarbeit,“ sagte sie, „und jetzt endlich wieder Metall unter den Füßen.“

Geraldine grinste schmal. „Metall, das dich gleich zurück auf den Carrier bringt. Nichts Romantisches.“

Kathleen lachte, ließ sich in den Copilotenstuhl fallen. „Für mich schon. Du weißt nicht, wie langweilig es ist, Modelle laufen zu lassen, während draußen Sterne explodieren.“

„Dann bist du jetzt bei der richtigen Begleitung,“ murmelte Geraldine, setzte Schub.

Der Cutter löste sich vom Dock, glitt hinaus ins Schwarz. Kathleen starrte hinaus, die Hände über den Anzeigen, als würde sie alles aufsaugen wollen.

„Ich hab’s vermisst,“ sagte sie leise. „Das Gefühl, wirklich unterwegs zu sein. Colonia war Heimat, aber das hier…“

„Das hier ist Chaos,“ unterbrach Geraldine. „Vergiss das nicht.“

Kathleen grinste, drehte den Kopf zu ihr. „Dann erklär mir, wie man darin schwimmt.“

„Du wirst es sehen,“ erwiderte Geraldine knapp, doch in ihren Augen blitzte es.

Wenig später füllte sich die Sicht mit dem gewaltigen Schatten der Citadel. Der Carrier schwebte wie ein ruhiger Koloss im Nichts, beleuchtet von den kalten Lichtern seiner Dockingbays. Kathleen lehnte sich vor, ein leises Lächeln im Gesicht.

„Es fühlt sich an, als würde ich nach Hause kommen,“ sagte sie.

Geraldine warf ihr einen kurzen Blick zu. „Du warst kaum hier.“

„Genug, um den Geruch zu kennen,“ konterte Kathleen. „Und um zu wissen, dass ich’s vermisst habe.“

Die Schleusen öffneten sich, die Cutter glitt hinein. Geräusche von Maschinen, Hall von Stimmen – vertrauter Trubel im Hangar. Kathleen stand auf, griff nach ihrer Tasche.

„Zeig mir, wohin die Reise geht,“ meinte sie.

Geraldine nickte knapp. „Das wirst du gleich sehen.“

Die Hangartore schlossen sich, die Lichter der Citadel warfen lange Schatten über den Rumpf der Cutter. Kathleen stand neben Geraldine, die Tasche locker in der Hand, und sah sich mit diesem stillen Lächeln um, das sie hatte, wenn sie mehr fühlte, als sie zeigen wollte.

„Es ist wirklich komisch,“ sagte sie. „Alles hier wirkt größer, lauter – und trotzdem hab ich das Gefühl, dass es vertraut ist.“

„Weil es vertraut ist,“ entgegnete Geraldine. „Jedes Schiff trägt seinen eigenen Rhythmus. Nach einer Weile erkennst du ihn wieder.“

Die beiden gingen die Rampe hinunter, vorbei an Technikern, die Werkzeuge schleppten, und Drohnen, die Container verstauten. Am Rand wartete Amanda. Sie hatte den Flight Suit an, die Haare streng zurückgebunden, das Gesicht so konzentriert, wie Geraldine es von ihr kannte, wenn sie einen Auftrag im Kopf hatte.

„Da ist ja unsere Forscherin,“ sagte Amanda trocken, aber ein kleines Lächeln blitzte auf. „Bereit, Steine zu sammeln?“

„Mehr als bereit,“ konterte Kathleen. „Und ich wette, ich finde mehr als ihr beide zusammen.“

Amanda schnaubte, verschränkte die Arme. „Dann ist es ja schade, dass ich diesmal nicht dabei bin. Ich hab Missionen. Die Bubble wartet nicht.“

Geraldine musterte sie kurz. „Also ziehst du allein los.“

„Wie immer,“ sagte Amanda knapp, aber in ihrem Blick lag kein Trotz – eher Entschlossenheit.

Kathleen trat einen Schritt näher, legte Amanda eine Hand an den Arm. „Pass auf dich auf.“

Für einen Moment wich die Härte aus Amandas Gesicht. „Mach ich. Und du – bring mir was Hübsches mit aus deinem Kristallgarten.“

Geraldine verdrehte die Augen. „Das ist kein Ausflug. Das ist Materialbeschaffung.“

„Für dich,“ grinste Amanda. „Für Kathleen ist es Forschung. Und für mich… Unterhaltung, wenn ihr zurück seid.“

Kathleen lachte, Geraldine schüttelte den Kopf. „Wir sehen uns in einer Woche,“ sagte sie.

Amanda nickte, kurz, fast militärisch, dann wandte sie sich ab und verschwand zwischen den Schiffen.

Kathleen sah ihr nach, dann blickte sie zu Geraldine. „Also, nur wir zwei?“

„Nur wir zwei,“ bestätigte Geraldine.

Ein Funkeln huschte über Kathleens Gesicht. „Das gefällt mir.“

Die Brücke der Citadel vibrierte leise, als die Systeme hochfuhren. Auf dem Hauptdisplay formte sich die Route: drei Sprünge, dann die Randzone der Bubble. Geraldine saß im Kommandosessel, die Arme locker auf den Lehnen, während Crewmitglieder ihre Positionen überprüften.

Kathleen stand neben ihr, die Hände auf die Reling gelegt. Sie sah aus, als wollte sie jedes Detail in sich aufsaugen: die Stimmen, das Summen der Systeme, das rhythmische Klacken der Konsolen.

„Ich hab schon hunderte Sprünge erlebt,“ murmelte sie, „aber nie aus so einer Perspektive. Es fühlt sich… größer an. Schwerer.“

Geraldine nickte. „Weil es größer ist. Ein Carrier springt nicht – er reißt sich aus dem Raum. Das merkst du in den Knochen.“

Ein Offizier drehte sich um. „Zielkoordinaten stehen. Systeme aufgeladen.“

„Sprung einleiten,“ befahl Geraldine ruhig.

Das Dröhnen wurde tiefer, vibrierte durch die Platten. Kathleen legte unwillkürlich eine Hand an die Brust, als wollte sie den Herzschlag prüfen. „Das ist verrückt,“ flüsterte sie.

Dann brach das Licht auf, der Raum krümmte sich, die Sterne zogen sich in einen Tunnel – und die Citadel stürzte in die Überladung hinein.

Sekunden später glitten sie wieder heraus. Alles war ruhig, nur ein leises Echo vibrierte noch im Metall. Kathleen atmete aus, als hätte sie die Luft angehalten.

„Du hast recht,“ sagte sie, „man spürt es in den Knochen. Es ist nicht nur ein Sprung – es ist, als würde man die Welt kurz zerbrechen.“

Geraldine sah sie an, schmal lächelnd. „Und trotzdem sitzt du hier.“

Kathleen grinste breit, die Augen glänzend. „Und ich will noch mehr.“

„Gut,“ erwiderte Geraldine knapp, sah wieder nach vorn. „Denn wir haben noch zwei vor uns.“

Die Sprünge rissen die Citadel durchs All, jedes Mal gefolgt von dieser schwerelosen Stille, in der sich der Koloss neu im Raum verankerte. Dazwischen herrschte Alltag, und Kathleen sog alles in sich auf.

In der Lounge saßen sie eines Abends nebeneinander, Geraldine mit einem Glas in der Hand, Kathleen mit einem Notizpad, auf dem sie hastig Skizzen und Zahlen kritzelte.

„Du weißt schon, dass das niemand außer dir versteht?“ fragte Geraldine trocken.

Kathleen grinste, ohne aufzusehen. „Macht nichts. Wenn’s mich glücklich macht, reicht das.“

„Du bist die einzige, die zwischen Sternkarten und Datenreihen glücklich aussieht.“

„Falsch,“ erwiderte Kathleen, tippte mit dem Stift auf sie. „Du siehst genauso aus, wenn du auf deine Schiffsliste starrst.“

Geraldine verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln. „Berührt.“

Später gingen sie durch den Hangar. Kathleen blieb immer wieder stehen, sah den Mechanikern zu, die an Schiffen arbeiteten, hörte dem Summen der Drohnen nach. „Es ist wie eine Stadt,“ sagte sie. „Eine fliegende Stadt, in der alles zusammenhängt. Man spürt es, egal, wo man steht.“

„So soll es sein,“ sagte Geraldine. „Wenn es auseinanderfällt, merkst du’s auch. Dann hört man’s überall.“

Einmal begegneten sie Rosie, die mit Datenpads voll Handelsprotokollen jonglierte. „Kathleen, richtig?“ fragte sie knapp. „Du bist die, die freiwillig ihre Freizeit mit Geraldine verbringt.“

„So verrückt bin nur ich,“ gab Kathleen lachend zurück.

Rosie nickte anerkennend. „Dann viel Spaß im Staub. Und pass auf, dass sie dich nicht nur schleppen lässt.“

Geraldine schnaubte, doch Kathleen grinste breit. „Danke für die Warnung.“

Am dritten Tag saßen sie wieder auf der Brücke, während der nächste Sprung vorbereitet wurde. Kathleen beugte sich nach vorn, starrte auf die Anzeigen. „Wie fühlt es sich eigentlich an, das alles zu führen? Eine Crew, ein Schiff, die Verantwortung?“

Geraldine schwieg kurz, sah hinaus in den endlosen Raum. „Manchmal wie Kontrolle. Meistens wie eine Bürde.“

Kathleen nickte, die Stirn in Falten. „Und trotzdem würdest du’s nie aufgeben.“

„Nein,“ sagte Geraldine. „Nie.“

Ein Summen vibrierte durch den Boden, der nächste Sprung baute sich auf. Kathleen lehnte sich zurück, ihr Blick voll Erwartung. „Dann lass mich lernen, wie man’s trägt.“

Geraldine sah sie an, das Gesicht ernst, doch in den Augen ein Funkeln. „Vielleicht.“

Der letzte Sprung der Citadel endete in einem stillen System. Kein Handelsverkehr, keine Signale außer dem leisen Rauschen des Sterns. Nur ein Asteroidengürtel und zwei Planeten, deren Oberfläche glitzerte, als hätte jemand Glasadern hineingegossen.

„Da sind wir,“ sagte Geraldine auf der Brücke, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.

Kathleen trat neben sie, blinzelte gegen das Leuchten. „Von hier sieht es unscheinbar aus.“

„Warte, bis wir unten sind,“ erwiderte Geraldine.

Kurz darauf rollte die Asp Explorer „Elena“ aus dem Hangar. Das Schiff wirkte neben den Kolossen der Flotte fast zierlich, aber jeder an Bord wusste, dass Elena für genau solche Missionen gebaut war. Geraldine saß am Steuer, Kathleen im Copilotenplatz – aufgeregt, neugierig, das Gesicht fast an der Scheibe.

Der Frameshift brach sie in eine niedrige Umlaufbahn über dem ersten Kristallplaneten. Schon von oben funkelten die Felder: riesige Ausläufer kristalliner Strukturen, die sich wie Risse über die Oberfläche zogen, blau, grün, und an manchen Stellen metallisch weiß.

Kathleen sog hörbar die Luft ein. „Bei allen Sternen… Das ist unglaublich.“

Geraldine hielt den Kurs, checkte die Anzeigen. „Das ist Rohmaterial. Selten, schwer zu bekommen, und wertvoll im Tausch. Deswegen sind wir hier.“

„Nein,“ widersprach Kathleen, ohne den Blick von der Oberfläche zu lösen. „Das ist mehr als Material. Das ist Naturkunst. Strukturen, die wachsen, als hätten sie ein Eigenleben. Weißt du, wie selten sowas ist?“

„Ich weiß, wie selten die Bestandteile sind,“ erwiderte Geraldine knapp. „Und genau die brauchen wir.“

Kathleen wandte den Kopf, ihre Augen funkelten. „Du siehst nur, was sie dir bringen. Ich sehe, was sie sind. Und wenn du nur die Hälfte siehst, verpasst du alles.“

Geraldine schwieg, ließ den Blick über die Kristalladern gleiten. Selbst sie musste zugeben: Es war mehr als nur Rohstoff. Ein eingefrorener Sturm, gleichzeitig kalt und lebendig.

Dann legte sie die Hand fester auf die Steuerung. „Gut. Dann sehen wir mal, was uns die Schönheit einbringt.“

Kathleen lachte leise, fast ehrfürchtig. „Einverstanden.“

Elena kippte in den Sinkflug, und das Licht der Kristallfelder brach sich an der Cockpitscheibe wie ein Kaleidoskop.

Elena setzte in einer Staubwolke auf, Triebwerke glühten, bis das Fahrwerk sicher im Boden einrastete. Vor ihnen spannte sich ein Feld aus schimmernden Kristallen über die Felsen, hoch aufragende Gebilde, die das Licht brachen wie gefrorene Blitze.

„Wenn das kein Postkartenmotiv ist,“ murmelte Geraldine, während sie das SRV aus der Bucht holte.

Kathleen stand daneben, Helm in der Hand, die Augen groß. „Das ist nicht nur ein Motiv. Das ist eine geologische Schatzkammer. Sieh dir die Struktur an – das ist organisiertes Wachstum, nicht chaotisches Geröll!“

„Ich seh nur, dass wir den Tank voll kriegen,“ erwiderte Geraldine trocken, kletterte in den Rover.

Das SRV rollte vom Schiff, Reifen knirschten über den kristallinen Boden. Geraldine aktivierte den Scanner, grüne Signale blitzten über das HUD. Sie hielt an, zielte, und ein Stück des Kristalls zerbrach in leuchtenden Splittern, die in die Sammelbehälter gezogen wurden.

Kathleen beugte sich über die Anzeigen, fasziniert. „Siehst du das? Die Partikel ordnen sich schon während des Zerfalls neu. Das bedeutet, sie haben eine innere Symmetrie, die erhalten bleibt, selbst wenn man sie zerstört!“

„Und genau deswegen kriegen wir sie im Tausch so teuer,“ sagte Geraldine, sammelte die nächste Ladung ein.

Kathleen lachte, halb entgeistert, halb amüsiert. „Du bist unmöglich. Vor dir liegt ein wissenschaftliches Wunder – und du siehst nur Credits.“

„Credits halten den Carrier am Laufen,“ gab Geraldine zurück. „Staunen füllt keine Tanks.“

Eine Weile fuhren sie schweigend weiter. Kristalle barsten, Splitter glitzerten, Scanner rauschten. Doch je länger sie arbeiteten, desto öfter sah Geraldine, wie Kathleen innehielt, die Hände auf den Kristallen ruhen ließ, als wollte sie deren Geschichte ertasten.

„Weißt du,“ sagte Kathleen irgendwann leise, „genau hier beginnt Forschung. An Orten, an denen niemand hinsieht, weil alle nur Wertstoffe sehen.“

Geraldine hielt das SRV an, sah sie lange an. „Und trotzdem bist du mit mir hier. Mit der, die nur Wertstoffe sieht.“

Kathleen drehte den Kopf zu ihr, ein Lächeln, ruhig und warm. „Vielleicht, weil du mir zeigst, wie man im Chaos überlebt. Und ich dir, was darin schön ist.“

Geraldine blinzelte, sah wieder nach vorn. „Dann hoffen wir, dass wir beides behalten.“

Das SRV setzte sich wieder in Bewegung, funkelnde Splitter wirbelten durch den Staub. Zwei Welten, die nebeneinander rollten – und doch denselben Weg fuhren.

Die Sonne stand tief, warf lange Schatten über die glitzernden Adern. Elena ruhte auf den Stützen, die Rampe halb abgesenkt. Staubfahnen tanzten in der dünnen Luft und prasselten wie feiner Regen gegen die Helme.

Geraldine saß auf der Kante der Rampe, die Stiefel im Staub, Helm geschlossen, die Handschuhe locker ineinandergelegt. Ein Schluck aus dem Hydrationsventil, dann blickte sie schweigend in die kristallene Ebene.

Kathleen kam vom letzten Marker herüber, der Scanner am Gurt, feiner Staub über dem Anzug. Sie ließ sich neben Geraldine nieder, Metall an Metall, die Stimmen nur über den Suit-Com.

„Wenn man’s nur als Steine sieht,“ sagte sie leise, „verpasst man, dass hier Zeit wächst.“

„Und wenn man’s nur als Wunder sieht,“ erwiderte Geraldine, „geht einem der Sprit aus.“

Ein sacht hörbares Lachen knisterte über die Verbindung. „Deal: Du bringst uns heim, ich bringe die Geschichten mit.“

„Deal,“ sagte Geraldine.

Sie schwiegen. Über ihnen brannte der Sternenhimmel, vor ihnen glitzerte der Boden wie ein umgedrehter Himmel. Der Wind fuhr durch die Kristallkämme, ließ sie ganz fein klingen, als hätte der Planet eine Stimme.

„Guter Tag,“ murmelte Geraldine schließlich.

„Mehr als das,“ antwortete Kathleen. „Ich speichere mir den Klang.“

„Ich die Ladung.“

Noch ein kurzes, warmes Knistern im Com. Dann saßen sie einfach da – zwei Anzüge, ein Schiff im Rücken, ein Feld aus gefrorenem Licht vor sich – und ließen den Tag ausrollen, bis die Anzeigen zum Aufbruch mahnten.

Kapitel 32