
Die Transaktion
Man sagt, wer in der Blase eine Sidewinder kauft, hat entweder keine Ahnung oder keine Wahl.
Ich hatte beides – und wahrscheinlich noch weniger.
Der Hangar roch nach kaltem Kaffee und billigem Desinfektionsmittel. Vor mir stand meine neue Sidewinder – alt, verbeult, silbern lackiert, als hätte ein betrunkener Künstler versucht, einen Meteoriten zu polieren.
„Passt perfekt zu mir“, murmelte ich.
Vor einer Stunde stand ich noch zwischen den Werkzeugkisten anderer Leute, Öl in den Haaren, Schraubenschlüssel in der Hand, und habe Schiffe geflickt, deren Piloten längst aufgegeben hatten. Kühlleitungen gestopft, Sicherungen getauscht, manchmal einfach nur aufs richtige Panel gehauen, damit der Frachter nicht schon vor dem Start wieder runterkam.
Nur eines war ich nie gewesen: am Steuer.
Bis jetzt.
Das Terminal vor mir flackerte, als wollte es mich ein letztes Mal warnen. Willst du das wirklich?
„Ja, verdammt“, murmelte ich und legte den Finger auf die Identifikationsfläche.
Erstes Piepen – abgelehnt. Zweites Piepen – auch nicht. Beim dritten Versuch akzeptierte es mich endlich. Typisch.
Willkommen im Leben, Kleine. Nichts klappt beim ersten Mal.
Ein letzter Scan, ein kaltes Summen.
„Sidewinder Mk I – Baujahr irrelevant. Vorbesitzer: irrelevant. Technischer Zustand: funktional.
Herzlichen Glückwunsch, Commander Callen.“
Commander.
Das Wort blieb kurz in der Luft hängen, als würde es selbst nicht glauben, hier zu sein. Ich musste lachen – ein Commander mit mehr Schulden als Sterne vor der Nase und einer Vergangenheit, die so löchrig war wie der Rumpf meiner neuen Kiste.
Die Sidewinder stand ein paar Dockreihen weiter, als wollte sie sich absichtlich verstecken. Ich musste zweimal auf den Hangarcode sehen, dann auf den Haufen Schrott vor mir.
Alt. Abgegriffen.
Der Steuerbordflügel hatte eine tiefe Schramme, als hätte jemand versucht, sie durch eine zu enge Schleuse zu prügeln – und verloren.
Ich klopfte gegen die Außenwand. Dumpf. Immerhin kein Vakuum dahinter.
Unter dem Lack zeichnete sich ein alter Name ab – irgendwas mit „Valerie“.
„Sorry, Valerie. Ich bin jetzt dein Albtraum.“
Die seitliche Einstiegsluke zischte auf. Drinnen roch es nach Schweiß, alter Elektronik und abgestandenem Energiegetränk – nicht gerade nach Aufbruch, eher nach einer WG aus gescheiterten Existenzen.
Das Cockpit war ein Sammelsurium aus Rissen, handgeschriebenen Notizen und improvisierten Reparaturen. Auf einer Anzeige prangte ein Zettel: FUEL INDICATOR ≠ TRUST.
Wenigstens ehrlich.
Ich ließ mich in den Sitz fallen. Er quietschte beleidigt.
„Na los, Alte. Zeig mir, ob du fliegen kannst.“
Ein paar Schalter später: Flackern. Stille. Noch ein Versuch. Ein Panel mit Klebeband-Aufschrift DON’T – ich drückte trotzdem.
Die Triebwerke husteten, rumpelten – und lebten. Lichter sprangen an, Anzeigen erwachten widerwillig.
Energie: grün. Lebenserhaltung: grün. Primärschub: WITH RESERVATIONS.
„Ich auch, Baby. Ich auch.“
Die erste Mission
Die Missionsliste war ein Witz.
„Dringender Kurierauftrag“ – klang nach Abenteuer, war aber nur ein versiffter Container Bio-Katalysatoren für eine Außenstation im selben System. Acht Minuten Flugzeit. Bezahlung: ein Abendessen, wenn man den Becher ableckte.
„Na los, Commander Callen. Rette die Galaxis – einen Biotank nach dem anderen.“
Die Ladecrew ignorierte mich. Ein Techniker wuchtete den Container in meinen Frachtraum, scannte den Code und musterte mich.
„Du bist die Neue, oder?“
Ich deutete mit dem Daumen hinter mich. „Frisch getauft und voller Vertrauen.“
Er nickte trocken. „Dann viel Glück.“
Das Verlassen der Station war … technisch möglich. Die Triebwerke röchelten durch den Andockkanal, das Steuer fühlte sich an wie Gummi nach einem heißen Bad. Ich korrigierte zweimal, kam trotzdem zu hoch raus, touchierte fast den oberen Rahmen. Warnton – wie ein genervter Fahrprüfer.
„Schon gut! Ich arbeite dran!“
Draußen war es ruhig. Ich klickte mich durch die Anzeigen – und übersah prompt ein Gravitationsfeld. Alarm, Trägheitswarnung, zu spät.
„Scheiße!“
Ich zog den Schub zurück, drehte, bremste – soweit dieses Ding bremste – und kam halbwegs stabil raus. Viel zu schnell.
Die Station funkte: „Bitte bestätigen Sie Ihre Landeabsicht, Commander.“
„Hier Sidewinder Callen. Ich hab einen Container Bio-Kram und schlechte Laune. Erlaubnis für Landung?“
Eine Pause, dann: „Bitte halten Sie diesmal die Anfluggeschwindigkeit ein.“
„Diesmal.“ Das klang persönlich.
Das Andocken verlief überraschend ruhig – wenn man ignorierte, dass ich beim ersten Versuch falschrum reinflog.
Bezahlung: 1.200 CR.
„Super. Halber Tank und ein Kaffee, wenn ich den Becher ablecke.“
Trotzdem: Ich hatte geflogen, geliefert – und nichts zerstört. Noch nicht.
Die erste Nacht
Die Kabine war kaum breiter als ich. Ein Liegeplatz, ein halb kaputtes Leselicht, ein Wandpanel, das bei jeder Berührung das Menü wechselte – manchmal ins Nichts.
Ich lag auf der Seite, hörte das leise Brummen des Reaktors. Gleichmäßig. Mechanisch. Gleichgültig.
Vor ein paar Stunden saß ich noch in den Hallen anderer Leute. Jetzt lag ich auf dünnem Schaumstoff und redete mir ein, dass das hier ein Anfang war – kein Absturz.
Commander Callen. Was für ein schlechter Witz.
Aber morgen würde ich wieder fliegen. Nicht weit. Nicht gut. Aber raus.
Und das war mehr, als ich vorher hatte.
Kapitel 1 endet nicht mit einem Knall. Sondern mit einem Summen.
Und einer Frau, die nicht weiß, ob sie flieht – oder endlich anfängt.